Wortspielereien 10 – Übersehen
Übersehen kann man so manches. Ich kann meinen Nachbarn übersehen, der Hilfe brauchen könnte, und ihn dadurch in immer stärkere Depressionen fallen lassen. Ich kann die alte Frau übersehen, die so gerne mal wieder Besuch hätte, und sie dadurch immer mehr vereinsamen lassen. Ich kann ein herannahendes Auto übersehen und dadurch einen Unfall verursachen. Ich kann das Gute in meinem Leben übersehen und dadurch undankbar und frustriert werden.
Dieses Übersehen heißt, ich bin blind für meine Umwelt, ich habe mich in meiner Wolke, meinem Glaskasten eingerichtet und sehe nichts mehr außer mir selbst.
Dieses Übersehen verursacht Leid und kostet manchmal sogar Leben.
Doch es gibt noch ein anderes Übersehen.
Ich kann meine Umwelt übersehen im Sinne von überschauen, überblicken. Ich sehe, wer neben mir ist, ich sehe die Nöte meiner Mitmenschen, ich sehe drohende Gefahren, die mir oder anderen lauern, ich sehe aber auch das Schöne, das um mich ist. Und dieses Übersehen, Überschauen, Überblicken regt mich dann an zu tätiger Hilfe, wo sie notwendig ist, es regt mich aber auch an zu Dankbarkeit, weil ich sehe, von wem ich alles bekommen habe.
Und am Ende meines Lebens werde ich dieses vergangene Leben übersehen, ich werde es Revue passieren lassen, und ich will dankbar sein, dass ich dieses Leben habe und hatte.
Was mir immer wieder ein Trost ist: Es gibt einen, der alles übersieht, der die Übersicht hat, über mein Leben und auch über Dein Leben. Es ist der, der uns alle geschaffen hat und der uns liebt.
Danke, Gott, dass Du die Übersicht hast.