Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren.
3.Mose 19,32
Da gibt es eine schöne Geschichte: ein kleiner Junge steht in der Straßenbahn vor einer Diakonisse auf. (Eine Diakonisse ist so etwas wie eine evangelische Nonne und geht in der Öffentlichkeit in einer Tracht, die aus Kleid und Haube besteht.) Der Vater des Kleinen wundert sich und fragt, wieso der Junge aufgestanden ist. „Das steht doch so in der Bibel“, antwortet der Junge. „Da steht ja, vor einer grauen Haube sollst du aufstehen…“
Nun ja, ich finde diese Geschichte zumindest zum Kichern. Hat der kleine Junge doch irgendetwas missverstanden und noch dazu die Diakonisse ein bisschen blamiert – von wegen grauer Haube.
Doch der obige Vers beinhaltet mehr als man auf den ersten Blick vermuten kann. Im 3. Mosebuch ist das Gesetz aufgelistet, das Gott seinem Volk gegeben hat. Das beinhaltet nicht nur die zehn Gebote, sondern viel mehr. Unter anderem gehört die Ehrfurcht, der Respekt vor dem Alter dazu. Respekt vor den Alten ist in der heutigen Zeit ja eher nicht mehr so angesagt. Lieber macht man sich lustig über die „Vorzeitigen“ oder „Altvorderen“, lässt sie links liegen, nutzt ihre Hilflosigkeit aus, betrügt sie sogar um ihre Ersparnisse.
Dabei haben die Alten uns so viel zu sagen und zu geben. Lebenserfahrung nennt man dies. Manche haben zwei Weltkriege miterlebt, waren in drei verschiedenen Regierungsformen Augenzeuge, mussten mit ansehen, wie ihr Geld wieder und wieder entwertet wurde und noch so vieles mehr.
Ich selbst bin ein Nachkriegskind und kenne vieles nur noch aus den Erzählungen der alten Leute. Irgendwann bin ich aber mal selbst „die Alte“. Dann wünsche ich mir, dass die Jungen mir Respekt und Anerkennung zollen. Deshalb bin ich jetzt erst einmal dran, den „Früher Geborenen“, wie es so schön heißt, mit Wertschätzung zu begegnen. Dann kann ich auch hoffen, später ebenso behandelt zu werden.