„Okay, mach weiter!“
„Ich hab Angst…“
„Angst? Ja wovor denn?“
„Ich weiß, was du sagen wirst…“
„Prüf mich doch!“
„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“
„Was ist mit Carola?“
„Siehst du? Ich wusste es ja! Ich wusste, dass du sie anbringen wirst! Aber warum, Herr? Sie hat Lügen über mich verbreitet. Sie hat mir nie das Geld zurückgegeben, das ich ihr geliehen hatte. Ich hab mir geschworen, es ihr heimzuzahlen…!“
„Aber – dein Gebet? Was ist mit deinem Gebet?“
„Ich… ich hab’s nicht so gemeint…“
„Na, wenigstens bist du ehrlich. Aber ist es dir nicht allmählich zu schwer, dieses ganze Gepäck? All diese Bitterkeit, dieser Groll?“
„Doch, schon… – aber ich werd mich besser fühlen, sobald ich es ihr heimgezahlt habe. Oh mann, ich hab mir schon was ausgedacht. Sie wird sich wünschen, nie geboren worden zu sein!“
„Nein, du wirst dich nicht besser fühlen. Es wird dir dann sogar noch schlechter gehen. Rache ist nicht süß. Schau, wie unglücklich du doch bist! Ich kann das ändern!“
„Du kannst das ändern? Wie denn?“
„Vergib Carola! Dann werde ich DIR vergeben und der Hass und die Sünde sind dann nicht mehr DEIN Problem, sondern ihres. Was dich angeht, so ist das Ganze dann für dich erledigt.“
„Oh Mann, du hast ja Recht. Du hast immer Recht. Und noch mehr als mich rächen zu wollen, möchte ich eigentlich mit dir im Klaren sein…. (langer Seufzer). Okay, okay, ich vergebe ihr.“
„Na siehst du! Wunderbar! Wie geht es dir jetzt?“
„Hmmmm. Tja, eigentlich gar nicht so schlecht! Wenn man es genau nimmt: überhaupt nicht mehr schlecht! Mann, ich fühl mich regelrecht fantastisch! Weißt du, ich denke, ich werde geradewegs ins Bett gehen. Ich hab in letzter Zeit nicht allzu viel geschlafen…“
„Ja, das weiß ich. Aber du bist mit dem Gebet noch nicht fertig. Komm schon, mach weiter!“
Noch einmal will ich Drewermann zu Wort kommen lassen, denn besser kann ich es auch nicht sagen:
„Vergebung ist schwierig, wenn der Schmerz so groß ist. Aber es sollte nicht um Moral gehen. Das Vaterunser ist revolutionär, weil es eine auf Vergeltung basierende Gerichtsbarkeit unterläuft. Was hilft es, wenn auch der Täter dann leidet? Vergeben bedeutet, dass man begreift und überwindet, was einem zugefügt wurde. Man versteht, dass auch der Schuldige vielleicht ein Opfer war. Auf diese Weise kann Vergebung zur eigenen Heilung werden.“
Und noch eines will ich sagen: Vergebung erfordert Mut, Vergebung ist nichts für Feiglinge.
Vater, gib mir die Kraft zur Vergebung, damit ich selbst heil werden und bleiben kann!