Ton oder Töpfer – wer hat das Sagen?

2016-02-03Ton oder Töpfer – wer hat das Sagen?

Diese Predigt habe ich das erste mal am 16.02.2014 in Auerbach/Vogtland gehalten und seitdem leicht abgewandelt. Die letzte Version stammt vom 24.01.2016, da hielt ich sie in Schönfels bei Zwickau.

Liebe Gemeinde –

Es gibt in der Bibel Bilder, die sich mehrmals wiederholen.

Beispielsweise wird im Buch Jeremia beschrieben, wie dieser – also Jeremia – in das Haus eines Töpfers kommt und ihm beim Arbeiten an der Töpferscheibe zusieht. Dabei misslingt das Werk, und der Töpfer macht aus dem Ton wieder einen Klumpen und fängt von vorn an.

Schon bei Jeremia wird erklärt, dass der Töpfer und sein Ton ein Bild für das Verhältnis Gottes zu seinem Volk Israel darstellen.

Wart ihr schon einmal in einer Töpferei? Es gibt ja einige bei uns in der Nähe.

Arbeit an der Töpferscheibe ist faszinierend, sie ist etwas Schöpferisches, es entsteht etwas neues, etwas, das vorher noch nicht dagewesen ist.

Aber wer hat das Recht zu entscheiden, was aus dem Tonklumpen werden soll? Der Tonklumpen etwa? Klingt lächerlich, nicht wahr?

Letzten Endes liegt es doch ganz im Ermessen des Töpfers oder der Töpferin, was zum Schluss herauskommt. Und das Schöne ist – wenn ein Teil misslingt, kann er wieder zum Klumpen gemacht werden und ein neuer Versuch startet. Genauso wie es Jeremia beschreibt.

Vom Töpfern – vom Schaffen – vom Entscheiden – von der Entscheidungsbefugnis – von all diesen Dingen erzählt auch unser heutiger Predigttext.

Ich lese Römer 9,14-24

Gottes freie Gnadenwahl

14 Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne!

15 Denn er spricht zu Mose (2.Mose 33,19): „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.“

16 So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.

17 Denn die Schrift sagt zum Pharao (2.Mose 9,16): „Eben dazu habe ich dich erweckt, damit ich an dir meine Macht erweise und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde.“

18 So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will.

19 Nun sagst du zu mir: Warum beschuldigt er uns dann noch? Wer kann seinem Willen widerstehen?

20 Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so?

21 Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?

22 Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren,

23 damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit.

24 Dazu hat er uns berufen, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden. Amen.

Paulus hatte die Schrift studiert, er war kein Dummer. Und hier zitiert er ein Wort aus 2. Mose 33: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.

Mose wollte Gottes Herrlichkeit sehen und musste sich diese Antwort von Gott gefallen lassen. Das hat nichts damit zu tun, dass Gott sich nicht „in die Karten schauen lassen will“, sondern ist auch zum Schutz von Mose und vom Volk Israel gedacht.

Heißt es doch schon in 1. Mose 32, 31: Und Jakob nannte die Stätte Pnuël; denn, sprach er, ich habe Gott von Angesicht gesehen, und doch wurde mein Leben gerettet.

Und in Richter 13, 22 sagt Manoach zu seiner Frau: Wir müssen des Todes sterben, weil wir Gott gesehen haben.

Kennt ihr Manoach? Ich habe ihn nicht gekannt, jedenfalls wusste ich anfangs mit seinem Namen nicht viel anzufangen. Er war der Vater von Simson, dem starken Mann, der nur durch eine Verschwörung überwältigt werden konnte.

Noch ein Beispiel: in Jesaja 6,5 sagt dieser: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.

Mose sollte also an dieser Stelle Gott dankbar sein, denn wer weiß, was geschehen wäre, wäre Gott auf sein Verlangen eingegangen.

Außerdem hatte Mose ganz vergessen, dass er gar nicht das Recht hatte, Gott Vorschriften zu machen.

Und Paulus zitiert diese Stelle in seinem Brief an die Römer, unserem heutigen Predigttext, um uns vor Augen zu führen, dass auch wir nicht das Recht haben, Gott Vorschriften zu machen oder ihm zu sagen, wie wir uns bitteschön seine Reaktion vorstellen.

Denn wer kann behaupten, dass der Allerhöchste, der Schöpfer, der Herr des Himmels und der Erde nicht das Recht hat, sich zu entscheiden, wem er seine Gnade gibt oder wie er jemanden seine Barmherzigkeit spüren lässt? Wer kann Gott Vorschriften machen, wie er zu antworten hat?

Schon oft ist es mir geschehen, dass ich eine Antwort von Gott erbeten habe, die er mir auch gegeben hat, doch ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte. Kommt euch das bekannt vor?

Ich bat um KRAFT…und mir wurden Schwierigkeiten gegeben, um mich stark zu machen.

Ich bat um WEISHEIT…und mir wurden Probleme gegeben, um sie zu lösen und dadurch Weisheit zu erlangen.

Ich bat um WOHLSTAND…und mir wurde ein Gehirn und Muskelkraft gegeben, um zu arbeiten.

Ich bat um MUT…und mir wurden Hindernisse gegeben, um sie zu überwinden.

Ich bat um LIEBE…und mir wurden besorgte, unruhige Menschen mit Problemen gegeben, um ihnen beizustehen.

Ich bat um ENTSCHEIDUNGEN…und mir wurden Gelegenheiten gegeben, die mich aufforderten, diese zu treffen.

Ich bekam nichts was ich wollte … aber ich bekam alles was ich brauchte.

Ist das nicht eine großartige Zusammenfassung dessen, was Gott mit uns und aus uns machen kann? Und ist es nicht so, dass Gott doch ein bisschen mehr Überblick hat als wir mit unserem beschränkten und begrenzten Wissen und Verstand, mit unserem Blick, der oft nicht über unseren eigenen Tellerrand hinausgeht?

Wenn der Ton zum Töpfer sagen würde: „Ich will es so oder so, mach aus mir eine Vase oder mach aus mir einen Blumentopf“, dann ist es als wenn wir das Lied singen, das eine Band vor vielen Jahren mal zu einem Jugendtag gesungen hat:

„Herr, ich geh voran auf der Lebensbahn, und du wollest nicht verweilen, mir getreulich nachzueilen. Ich führ dich an der Hand wie am Gängelband.“

So provokativ es klingt, ist es nicht manchmal zutreffend? Wollen wir nicht doch ab und zu sagen wo es langgeht und wollen wir dann nicht einfach nur das Ja und Amen dazu von Gott haben, ohne nach seinem Willen zu fragen?

Richtiger ist es doch zu singen: „Jesu geh voran auf der Lebensbahn. Und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen. Führ uns an der Hand bis ins Vaterland.“

Dann wird auch ein Topf – bzw. ein Schuh – oder was auch immer – daraus….

Aber nicht nur der Schöpfer formt den Menschen – es gibt auch mehr oder minder ernst zu nehmende Beispiele, in denen ein Mensch den anderen Menschen formt.

In einer kleinen Stadt geht der Bürgermeister mit seiner Frau spazieren. An einer Baustelle grüßt ein Maurer freundlich die Frau Bürgermeisterin und redet sie mit ihrem Vornamen an.

Der Bürgermeister ist verwundert und fragt hinterher seine Frau, woher sie den Maurer kenne. „Ach, der ist mit mir in die Schule gegangen, er war mein erster Freund.“

„Zum Glück hast du nicht ihn, sondern mich geheiratet, sonst wärest du heute nicht die Frau eines Bürgermeisters, sondern die Frau eines Maurers.“

„Da irrst du dich“, gibt die Frau zurück. „Hätte ich ihn geheiratet, wäre er heute der Bürgermeister.“

Wir sind der Ton, das Material, aus dem Gott etwas formen will und kann. Dazu müssen wir auch bereit sein, uns formen zu lassen – nicht unbedingt wie in dem Beispiel mit dem Bürgermeister und seiner Frau…aber unsere Bereitschaft ist unabdingbar.

Gott formt uns, er will uns formen….

Jetzt habe ich natürlich eine wunderbare Ausrede für das was ich bin. Nun könnte ich mich entspannt zurücklehnen und sagen: „Was wollt ihr denn, ich bin halt so von Gott geschaffen, nun müsst ihr alle mich so nehmen wie ich bin…ich bin eben so und basta…“

Wenn Gott alles schon im Voraus bestimmt hat, kann ich demzufolge nichts mehr dafür. Und dann ist Gott natürlich ungerecht, wenn er mich oder jemanden anderen dafür verurteilt was er ist.

Für jemanden, der so spricht, ist der Mensch eine hilflose Figur auf Gottes Schachbrett. Nichts, was er sagen oder tun kann, wird sein Schicksal ändern.

Hat er mich und uns alle hier doch so geschaffen wie wir sind….ach ist das schön, wir haben einen Schuldigen … und dann auch noch die Ungerechtigkeit, der eine wird erwählt, der andere nicht – Gott, wie kannst du nur! Und dann hagelt es Vorwürfe über Vorwürfe gegenüber Gott.

So einfach ist es aber nun wiederum nicht….

Zunächst tadelt der Apostel die Unverschämtheit der Geschöpfe, die es wagen, ihren Schöpfer zu kritisieren. Paulus bestreitet energisch die Möglichkeit, dass bei Gott Ungerechtigkeit herrschen könnte.

Nicht Gott verurteilt uns, sondern wir selbst, wir Menschen werden durch unsere eigene Sünde und unseren eigenen Unglauben verurteilt.

Das Evangelium – die gute Nachricht – wird allen verkündet. Und Gott erwählt einige, um über sie seine besondere Gnade auszuschütten. Doch er wählt nicht willkürlich aus und verurteilt die anderen einfach so, aus einer Laune heraus.

Nein, es werden die verurteilt, die ihr Leben lang gesündigt und das Evangelium abgelehnt haben. Diejenigen, die erwählt sind, können Gott für seine Gnade danken. Diejenigen, die verlorengehen, haben niemandem die Schuld zu geben als sich selbst.

Paulus sagt also, dass die endgültige Bestimmung von Menschen oder Nationen nicht der Kraft ihres Willens oder der Macht ihrer Anstrengungen unterstellt ist, sondern der Gnade Gottes.

Doch wenn Paulus sagt, dass es „nicht an dem Wollenden“ liegt, dann meint er damit nicht, dass der Wille eines Menschen nicht an seiner Erlösung beteiligt ist.

Die Einladung ist ein deutlicher Appell an den Willen eines Menschen, wie auch in Offenbarung 22,17 gesagt wird: Wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst.

Auch Jesus sagt selbst zu den Juden in Johannes 5,40: Aber ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben hättet.

Ein gewisses Maß an geistlicher Ernsthaftigkeit und Bereitschaft ist notwendig. Doch der Wille und das Laufen des Menschen sind nicht die alles bestimmenden Faktoren: Die endgültige Erlösung kommt vom Herrn. Wir brauchen sie nur anzunehmen.

Paulus zitiert in unserem Text noch eine weitere Bibelstelle 2. Mose 9,16: Eben dazu habe ich dich erweckt, damit ich an dir meine Macht erweise und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde.

So sprach Gott zu Pharao. Als Erwachsener erwies dieser sich als böse, grausam und besonders störrisch. Statt den dringenden Warnungen Gottes zu gehorchen, verhärtete er sein Herz. Gott hätte ihn sofort vernichten können, doch das tat er nicht

Der Pharao verhärtete wiederholt sein Herz, und danach verhärtete Gott – das können wir als Gericht sehen – zusätzlich das Herz des Pharao.

Dieselbe Sonne, die Eis zum Schmelzen bringt, härtet den Lehm. Dieselbe Sonne, die Wäsche bleicht, bräunt die Haut.

Derselbe Gott, der denen mit einem zerbrochenen Herzen Gnade erweist, verhärtet die Unbußfertigen. Wer Gnade verwirft, verleugnet Gnade.

Gott hat das Recht, zu „begnadigen“ wen er will, und zu „verhärten“, wen er will. Doch weil er Gott ist, handelt er niemals ungerecht.

Paulus verwendet das Bild vom Töpfer und vom Ton, um die Souveränität Gottes zu verteidigen. Der Töpfer geht eines Tages in seine Werkstatt und sieht auf dem Boden einen Haufen formlosen Ton.

Er hebt eine Handvoll davon auf, legt ihn auf die Töpferscheibe und formt ein wunderschönes Gefäß. Denken wir an die Bibelstelle aus Jeremia, das Bild des Töpfers, das ich am Anfang beschrieb.

Der Töpfer ist natürlich Gott. Der Ton, das sind wir, die Menschheit. Wenn der Töpfer die Menschen sich selbst überließe, dann würden sie alle verloren gehen.

Es wäre absolut gerecht und fair, wenn Gott sie sich selbst überließe. Doch stattdessen erwählt er sich in seiner Souveränität eine Handvoll Sünder, errettet sie durch seine Gnade und verwandelt sie in das Bild seines Sohnes. Hat er etwa kein Recht dazu?

Wir müssen bedenken, dass er die anderen nicht willkürlich zur Hölle verurteilt. Sie sind dazu schon durch ihren Eigenwillen und Unglauben verurteilt.

Paulus betont die völlige Unabhängigkeit, die Gott hier hat. Denken wir auch an die Schriftlesung, die wir vorhin gehört haben. Der Arbeitgeber hat das Recht die Arbeiter zu entlohnen, wie er will. Und keiner, wirklich keiner hat das Recht dagegen aufzubegehren, nur weil der Arbeitgeber sich an die getroffene Vereinbarung gehalten hat.

Nun zeigt Paulus jedoch auch, dass der große Töpfer in einen Interessenkonflikt kommt: einerseits will er seinen Zorn zeigen und die Sünde bestrafen, andererseits die Gnade, die Geduld erweisen und die Sünder begnadigen.

Da ist ein Kontrast vorhanden zwischen der gerechten Härte Gottes einerseits und seiner barmherzigen Langmut andererseits.

Doch eines sollten wir beachten: Wir sollten Gottes Geduld nicht überstrapazieren, unser Schicksal nicht herausfordern. Es gibt Regeln.

Und wenn wir die nicht beachten, dann kann uns das passieren, was einem prominenten Rennfahrer passiert ist, der die vorgesehene Skipiste verließ und einen schweren Unfall erlitt. Dann werden wir aus der Kurve getragen, weil wir die Leitplanken nicht beachtet haben.

Ein Theologe namens Charles R. Erdman hat es folgendermaßen kommentiert: Gottes Souveränität zeigt sich nie darin, Menschen zu verurteilen, die erlöst werden sollten, sondern führte vielmehr zu der Erlösung von Menschen, die eigentlich hätten verlorengehen sollen.

Als ich diese Predigt ausgearbeitet habe, führte die tägliche Bibellese durch den Brief des Paulus an die Epheser. Darin findet sich eine Stelle, die perfekt zu dem vorher gesagten passt. Ich meine Epheser 2,4 und 5:

Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr selig geworden –

Aus Gnade seid ihr selig geworden…

Und unser Wochenspruch passt genauso hierher…wisst Ihr ihn noch?

Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.
Daniel 9,18

Ist das nicht eine wundervolle Zusage? Wir, die eigentlich verloren gehen müssten, denn wer kann von sich behaupten, dass er immer Gottes Willen täte, wir, die unvollkommenen Gefäße, oft schief und krumm, wir, die Töpfe und Pfannen, die manchmal auch schon arg zerkratzt sind, wir sollen errettet werden.

Und das gilt für uns alle. Wir können Gott nur noch für diese Gnade danken. Und wir dürfen sie weitergeben an alle, die sie benötigen.

Amen.

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