St. Ulli oder die Rache der Physik

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Ich bin ein DDR-Kind. In der DDR geboren und aufgewachsen, durfte ich so manches nicht, was ich gern gemacht hätte. Ich hätte zum Beispiel gerne die erweiterte Oberschule besucht, um das Abitur zu erwerben. Das wurde nicht gestattet, weil ich mit meiner Weltanschauung nicht staatskonform genug war.

Staatsoberhaupt bzw. Vorsitzender des Staatsrates war in meiner Kindheit der Sachse Walter Ulbricht. Während seiner Regierungszeit wurde der Ostberliner Fernsehturm gebaut. Weithin sichtbar sollte er von den technischen Errungenschaften des sozialistischen Staates künden. Mit Kirche und christlichem Glauben hatten die Obersten dieses Staates bekanntlich nichts am Hut. Kirchen wurden auch gern mal dem Erdboden gleichgemacht, ein Beispiel ist die Paulinerkirche in Leipzig.

Doch ausgerechnet der Fernsehturm, dieses Symbol für den Sozialismus, machte die Regierung der DDR in gewisser Weise lächerlich. Erschien doch in eben diesem technischen Wunderwerk bei richtiger Sonneneinstrahlung unübersehbar ein Kreuz – das Symbol für das Leiden und Sterben Jesu. Wir Christen tragen das Kreuz oft an einer Kette am Hals, manche tätowieren es sich in Finger oder Arm, in Kirchen und Schulen hängt es an der Wand. Doch dieses Kreuz da am Berliner Fernsehturm war noch viel weniger zu übersehen als diese kleinen Symbole an Hals, Finger oder Wand.

Was die Techniker nicht bedacht hatten – die Physik spielte da auch mit, genauer gesagt die Gesetze der Optik. Spiegelung an einer runden Oberfläche ergibt halt ein Kreuz.

Und die Berliner hatten auch ganz schnell den passenden Namen für diese ungeplante Reklame: St. Ulli – der Heilige Ulbricht.

Noch heute – über 25 Jahre nach dem Mauerfall – staune ich über den Humor, den Gott hier bewiesen hat.

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