Soll ich meines Bruders Hüter sein?
1.Mose 4,9
Ich bin die jüngste von vier Geschwistern. Meine drei großen Brüder mussten mich ab und zu mitnehmen zu ihren Unternehmungen. Ich kann mir vorstellen, dass es sie manchmal angestunken hat, so ein kleines Anhängsel zu haben, lästig wie eine Schmeißfliege. Da war immer ein kleiner Zuhörer und Zuschauer dabei, man konnte sich gar nicht so richtig geben wie man wollte. Und man wäre diese lästige Begleitung gerne los gewesen.
Tja, unter Geschwistern ist halt nicht immer nur geschwisterliche Liebe vorherrschend. Da gibt es Zank und Streit, Neid und Eifersucht. Und jeder denkt, er komme zu kurz in der elterlichen Gunst und Liebe.
Da gibt es eine Geschichte in der Bibel, die beschreibt genau diese Situation. Zwei Brüder, heiß geliebt von ihren Eltern, geliebt auch von Gott. Und sie lieben ihre Eltern, und sie lieben Gott. Deshalb wollen sie ihm ein Opfer bringen. Der eine ist Schäfer, daher ist es naheliegend, dass er ein Lamm opfert. Der andere ist Bauer, er bringt von seiner Ernte einen Teil und will ihn opfern. Bis dahin sind sie sich ziemlich ähnlich.
Und jetzt kommt der gewaltige Unterschied: während das Opferlamm schön verbrennt und der Rauch kerzengerade in die Höhe steigt, qualmt das Getreide nur vor sich hin und droht den Bauern fast zu ersticken. Kain – denn um ihn geht es – wird wütend. Warum wird Abels Opfer angenommen, und seines wird verschmäht? Ich weiß keine Antwort, aber vielleicht wollte Gott einfach nur prüfen, wie er sich verhält. Und er hat kläglich versagt. In Kain entstand ein Hass auf seinen Bruder, der letzten Endes dazu führte, dass er Abel erschlug.
Doch statt nun Reue zu empfinden, wurde er noch frech. Frech gegenüber Gott, der ihn fragte, wo sein Bruder wäre. Soll ich meines Bruders Hüter sein? So versuchte er sich herauszureden. Ziemlich dumm, denn Gott wusste doch sowieso, was passiert war.
Wir können versuchen, vor Gott wegzulaufen, wir können versuchen ihn zu hintergehen, wir können versuchen etwas vor ihm zu verbergen – er weiß es trotzdem.