Diese Predigt habe ich zum ersten Mal am 12.02.2012 in meiner Heimatgemeinde gehalten
Liebe Gemeinde!
Was macht einen guten Prediger aus?
– ausgebildete Rhetorik
– mitreißende Sätze, wohlformulierte Passagen
– aktuelle Themen
– verständliche Ausdrucksweise
– deutliche Aussprache, er darf nicht irgendetwas vor sich hin murmeln
– kurz, aber prägnant „In der Kürze liegt die Würze“
Was ist Euch, was ist uns am wichtigsten?
Einer der erfolgreichsten Prediger seiner Zeit ist Paulus.
Er hat auf seiner zweiten Missionsreise in Korinth eine Gemeinde gegründet. Leicht wird ihm das nicht gefallen sein. Korinth war eine der Großstädte des antiken Griechenland. Griechenland, die Hochburg der Bildung und des Wissens. Griechenland, das die klügsten Männer der Antike hervorgebracht hatte.
Und dann kommt Paulus, ein Zeltmacher, der sich vermisst, eine neue Theologie zu verkünden. Christus als Mittelpunkt der Erlösung, nicht mehr und nicht weniger.
Angst hat er gehabt, das gibt er zu. Er schreibt ja selbst im 1. Korintherbrief „Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern.“
Mut gehört dazu, denn das Volk des Sokrates ist von nichts so fest überzeugt wie von seiner geistigen Überlegenheit. In den Augen der Griechen gehört Paulus zu den Barbaren.
Und dann geschieht das Wunder: das Zeugnis des Paulus überzeugt die Griechen. Nicht mit großen Worten, obwohl Paulus an anderer Stelle als wortgewandter Prediger beschrieben wird, der um kein Argument verlegen ist.
Nachdem Paulus aber die Stadt verlassen hat, treten Prediger auf, die all das in sich vereinigen können, was ich anfangs aufgezählt habe. Sie sind wortgewandt, mitreißend, aktuell. Sie begeistern die Massen.
Aber sie haben eines vergessen bzw. verdrängt: sie predigen nicht mehr die alleinige Erlösung durch Jesus Christus, sondern sie bieten den Korinthern vielfältige Weisheit an, Wissen, Lebensweisheiten.
Und sie haben Erfolg damit. Die Massen hören ihnen zu, sie strömen ihnen zu. Und keiner merkt, dass es Irrlehren sind, die diese Redner verkünden.
Irgendwann kommt einer der Korinther auf die Idee, Paulus einen Brief zu schreiben. Sinngemäß schreiben sie ihm, er sei ein armseliger Stümper, ein Stotterer, einer, der nur aus der Ferne gute Briefe schreiben könne, aber wenn es hart auf hart geht, also wenn er vor den Menschen sprechen solle, dann fehlten ihm die Worte.
Bloß gut, dass es noch Menschen gäbe, die mit der Gabe der mitreißenden Rede beschenkt seien. Bloß gut, dass sie es noch rechtzeitig gemerkt haben, was Paulus für ein Versager sei.
Bloß gut, dass es mit dieser einseitigen Verkündigung von Jesus dem Gekreuzigten zu Ende sei. Jetzt würden endlich aktuelle Fragen angesprochen, Lösungsvorschläge gebracht, der Weg gezeigt.
Paulus, du bist doch armselig, du bist doch nichts gegen die Prediger, die wir jetzt haben. So lautet der Tenor des Briefes.
Gegen diese Vorwürfe muss Paulus sich verteidigen. Und so schreibt er zwei Briefe an die Korinther.
Darin gibt er den Schreibern des Briefes Recht – er gibt zu, unvollkommen zu sein, kein großer Redner, ja im ersten Brief nennt er sich sogar eine unzeitige Geburt, kurz und gut, er widerspricht nicht.
Doch dann beginnt er sich zu verteidigen, sein Recht zu begründen, Apostel genannt zu werden. Er tut dies nicht gern, aber es ist notwendig, denn nicht seine Ehre steht auf dem Spiel, sondern die Ehre dessen, der ihn gesandt hat.
Paulus zählt auf, was er alles geleistet hat, was er alles durchmachen musste im Dienste des Herrn – er wurde geschlagen, gesteinigt, er hat Schiffbrüche erlitten, Verfolgungen, Verleumdungen – Paulus prahlt regelrecht mit dem was er alles erlebt hat. Damit begibt er sich auf das Niveau seiner Widersacher, die ihn herausgefordert haben.
Er steigert sich – bis zum Höhepunkt seiner Verteidigung. Und die gibt seinen Gegnern den Rest, denn er kann sich auf eine Erfahrung berufen, die ihnen versagt geblieben ist.
Ich lese unseren heutigen Predigttext aus 2. Korinther 12 Verse 1-10.
Die Offenbarungen des Herrn und die Schwachheit des Apostels
1 Gerühmt muss werden; wenn es auch nichts nützt, so will ich doch kommen auf die Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn.
2 Ich kenne einen Menschen in Christus; vor vierzehn Jahren – ist er im Leib gewesen? Ich weiß es nicht; oder ist er außer dem Leib gewesen? Ich weiß es auch nicht; Gott weiß es -, da wurde derselbe entrückt bis in den dritten Himmel.
3 Und ich kenne denselben Menschen – ob er im Leib oder außer dem Leib gewesen ist, weiß ich nicht; Gott weiß es -,
4 der wurde entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann.
5 Für denselben will ich mich rühmen; für mich selbst aber will ich mich nicht rühmen, außer meiner Schwachheit.
6 Und wenn ich mich rühmen wollte, wäre ich nicht töricht; denn ich würde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand mich höher achte, als er an mir sieht oder von mir hört.
7 Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe.
8 Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche.
9 Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne.
10 Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.
Amen.
Vierzehn Jahre ist dieses Erlebnis her, das Paulus hier beschreibt. Und so lange hat er darüber geschwiegen. Wer von uns könnte das heute, vierzehn Jahre lang schweigen? Halten wir es nicht eher so „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über?“ – Mir geht es jedenfalls so.
Jetzt aber schreibt Paulus darüber – allerdings in der dritten Person, so als ob es sich um jemanden anderen handeln würde.
Paulus beschreibt eine Entrückung in den dritten Himmel – der dritte Himmel ist nach der damaligen Theologie der höchste Ort der Schöpfung. Der erste Himmel ist der Wolkenhimmel, der zweite der Sternen- und Planetenhimmel, soweit wir mit unseren Augen sehen können.
Paulus schwärmt davon, dass dieser Mensch unaussprechliche Worte hören durfte, Worte, die ein Mensch nicht sagen darf. Sie passen nicht zum zwischenmenschlichen Umgang, sie haben himmlischen Ursprung.
Und noch eins: Paulus betont, dass er die Wahrheit sagt, er flunkert nicht, will keine Heldenverehrung, er will nur, dass alle Ehre dem zukommt, dem sie auch zusteht.
Die Korinther müssen sehr schnell begriffen haben, was Paulus hier sagen will. Er schreibt zwar in der dritten Person, doch jeder weiß, dass er sich selbst damit meint. Dies wird offensichtlich, als er schreibt: „damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe“, damit stellt er klar, dass er von sich selbst spricht.
Paulus ist ein Mensch wie wir. Er hat Fehler und Schwächen. Dass er dieses Erlebnis haben darf, ist nicht sein Verdienst, sondern eine Gnade, die ihm zuteil wird. Doch er gerät in Gefahr, sich etwas darauf einzubilden.
Deshalb hat Gott ihm zur Vorbeugung eine „Leibwache“ gegeben. Ein Engel, der ihn mit Fäusten schlagen darf. Faustschläge schmerzen besonders, denn sie treffen gezielt mit großer Kraft.
Und ein Pfahl im Fleisch ist ein Bild, das sehr deutlich zeigt, was Paulus meint. Ein Pfahl, in der Elberfelder Übersetzung ist von einem Dorn die Rede, ist auch effektiv in der Schmerzerzeugung, konzentriert sich doch alles auf einen Punkt.
Wir wissen nicht genau, worunter Paulus litt – manche vermuten, er hatte Epilepsie, andere vermuten eine Augenkrankheit. In Galater 6 Vers 11 schreibt er „Seht, mit wie großen Buchstaben ich euch schreibe mit eigener Hand!“, was die These von einer Augenkrankheit plausibel macht.
Auf jeden Fall leidet Paulus darunter, und er wäre die Krankheit lieber heute als morgen los geworden. Ärzte können ihm offensichtlich nicht helfen, also geht er ins Gebet. Das soll jetzt nicht so klingen, als sei das Gebet nur dann gefragt, wenn menschliche Möglichkeiten versagen. Richtig ist es zu beten und ärztliche Hilfe zu suchen.
Dreimal – so schreibt er – hat er um Heilung gebeten.
Nicht von ungefähr erscheint hier die Zahl drei – sie ist sehr häufig in der Bibel anzutreffen.
Samuel wurde dreimal gerufen, drei Tage dauerte die Sonnenfinsternis in Ägypten, Jona war drei Tage im Bauch des Fisches.
Jesus wurde dreimal vom Teufel versucht, er hat in Gethsemane dreimal darum gefleht, dass der Kelch des Leidens an ihm vorübergehen möge, wobei er jedesmal dazu sagte „Nicht mein, sondern DEIN Wille geschehe“.
Petrus hat dreimal geleugnet Jesus zu kennen, die heilige Dreieinigkeit Vater, Sohn und Heiliger Geist – ich könnte die Liste noch um einiges verlängern.
Dreimal schreit Paulus zum Herrn, dass er ihn von seinem Leiden erlöste. Und nach dem dritten Mal bekommt er eine Antwort. Allerdings nicht die erhoffte. Keine Heilung. Nicht einmal die Zusage, heil zu werden.
„Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
So lautet die Antwort, die Paulus bekommt.
„Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht.“ heißt diese Stelle in der Elberfelder Übersetzung.
Eine einfache Feststellung – es genügt dir! Keine Bitte, sich doch zufrieden zu geben.
Die Gnade – sie ist Balsam für den Schmerz. Und diese Gnade gilt auch uns. Seit Jahrhunderten ist dieser Vers Trost und Ermunterung für viele gewesen und will es auch für uns heute sein.
Im Grunde sagt Gott zu Paulus: „Ich werde den Pfahl oder Dorn nicht nehmen, sondern dir etwas Besseres geben: Es ist die Gnade, diesen Schmerz zu ertragen. Und denke daran: Auch wenn ich dir nicht gegeben habe, worum du gebeten hast, so gebe ich dir stattdessen, was du am meisten brauchst. Du möchtest doch, dass meine Kraft und Vollmacht deine Predigt begleitet, nicht wahr? Nun, die beste Art und Weise, dies zu erreichen, besteht darin, dass du in Schwachheit gehalten wirst.“
Vielleicht geht es uns so wie dem Apostel Paulus, vielleicht haben wir ein Leiden, ein Problem, das wir nicht selbst lösen können. Vielleicht haben wir auch schon dreimal oder auch noch öfter zum Herrn gebetet, dass er uns helfen möge.
Vor Jahren, bei einem Jugendtag des Zwickauer Distrikts, hat Martin Lange, vielen von uns wohlbekannt, einmal gesagt: „Gott ist kein Automat, in den wir oben das Gebet als Geldstück einwerfen und bei dem unten die Gebetserhörung heraus kommt…“…wie eine Coladose vielleicht…
Gott hat seine eigenen Pläne und Gedanken mit uns, das sollten wir uns immer wieder vor Augen halten.
Gott hört Gebete, aber er erhört sie nicht immer so wie wir uns das vorstellen.
Ein junger Mann, der schon während seiner Kindheit mit der Beschaffenheit seines Körpers zu kämpfen hatte, kam mit 17 Jahren dahin, sich so anzunehmen, wie er geschaffen war. Er sagt: „Ich fand den Sinn meiner Existenz und ich fand den Sinn meiner Umstände. Natürlich kann ich mir mein Leben lang Dinge wünschen, die ich nicht habe. Aber das Wünschen bringt mich nicht weiter. Gott will mich so benutzen, wie ich bin.“
Der junge Mann heißt Nick Vujicic und wurde ohne Arme und Beine geboren. Nick ist mittlerweile 32 Jahre alt, verheiratet, hat einen 2jährigen Sohn, ist von Beruf Evangelist und ein lebendiges Beispiel für die Worte Jesu, der über einen von Geburt an blinden Mann sagt, dass seine Blindheit den Sinn habe, „damit die Werke Gottes an ihm offenbart würden“.
Ich habe Nick Vujicic bei youtube auf Videos gesehen, bin in seiner Freundesliste bei facebook und muss sagen, ich habe selten einen so lebensfrohen Mann erlebt wie ihn.
„Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
Die Schwachheit – auch unsere eigene Schwäche – kann Gott zur Stärke machen, weil seine Kraft hinter uns steht, weil auch an uns seine Werke offenbar werden sollen.
Gott hat Paulus ausgewählt, Gott hat diesen jungen Mann, Nick Vujicic, ausgewählt, obwohl oder gerade weil sie eine schwache Stelle haben.
Und gerade wenn jemand mit einem so offensichtlichen Handicap Zeugnis geben kann, gerade dann wird es den einen oder anderen zum Nachdenken bringen, was da wohl dran ist an der Geschichte von Jesus dem Gekreuzigten und Auferstandenen.
Nicht immer ist es notwendig, große Worte zu machen, großartige Reden zu halten oder mit einem umfassenden Wissen zu glänzen.
Gerade in unserer Schwachheit, Bedeutungslosigkeit und Kleinheit kann Gott seine Stärke, seine Macht und seine Größe zeigen, darum sollen wir nicht auf das sehen, was wir nicht können, sondern auf das was wir sind. Wir sind Kinder Gottes, und er lädt uns ein, seine Diener zu sein.
Lassen wir uns einladen, sagen wir ja zu dem, was er uns zu sagen hat, auch wenn es anders ausfällt als erwartet. Lassen wir zu, dass wir schwach sind, denn dann kann Gottes Kraft durch uns wirken. Amen.