Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Galater 6,2
Diese Andacht habe ich am 28.06.2015 zum Abschluss des Sichemfestes der Diakonie in Werdau gehalten – bei meinem Arbeitgeber.
Das Sichemfest 2015 geht seinem Ende zu – nur noch wenige Minuten, und es ist wieder einmal vorbei. Wir haben gefeiert, wir haben gesungen, wir haben auch viel Musik gehört und das eine oder andere Interessante gesehen oder ausprobiert.
Sichem – dieses Haus, diese Häuser stehen für die Nächstenliebe, die jemand vor vielen Jahren für die Alten, die Schwachen, die Kranken gespürt hat. Eine Liebe, die helfen wollte, Lasten zu tragen, für die die Belasteten zu schwach sind. Diese Liebe hilft Lasten zu tragen, die manchmal gar nicht zu sehen sind – und doch sind sie da, und sie sind schwer.
Du weißt nicht, wie schwer die Last ist, die ein anderer trägt, hat ein weiser Mann einmal gesagt. Wie schnell sind wir doch dabei, zu bagatellisieren, so lange es nicht um uns selber geht. Wie schnell sagen wir doch lieblos, der andere würde übertreiben, ohne daran zu denken, wie schwer es doch für den anderen sein könnte, ohne daran zu denken, ihm ein bisschen seiner Last abzunehmen. Manchmal genügt einfach mal ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte, mit denen sich mein Gegenüber abplagt.
Einer trage des andern Last, so schreibt Paulus in seinem Brief an die Galater.
Ich sehe da vor mir einen Gepäckträger, einen Kofferkuli, der das Gepäck der Reisenden von einem Bahnsteig auf den anderen befördert oder von einem Flugzeug in das andere. Die Reisenden können in der Regel ganz relaxt sein, ihr Gepäck – ihre Last – wird ja von jemandem getragen. Doch der wird dafür bezahlt. Ist das von Paulus so gemeint?
Ich glaube nicht. Wir als Christen sind berufen, einander zu helfen, einander beizustehen, ohne nach einer Belohnung oder Bezahlung zu fragen. Das ist in einer Welt, in der das Geld so offensichtlich regiert, sicher nicht immer einfach, aber machbar. Und ich glaube ganz fest daran, dass dann eines Tages der Herr zu uns sagen wird: „Kommt her, ihr Gesegneten des Herrn. Denn was ihr einem unter meinen Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan!“
Im Nächsten, im Kleinen, im Kranken, im Unscheinbaren den Herrn sehen, das können wir lernen. Und der Herr will und kann uns dazu die Augen, die Ohren und die Herzen öffnen.
Einander tragen heißt auch, die Last des Versagens zu tragen.
Wir sind alles nur Menschen – und wir machen Fehler. Da ist es doch gut, wenn wir diese Fehler einander verzeihen, denn auch das heißt mit tragen. Keiner soll dem andern seine Fehler, seine Unzulänglichkeiten, seine Schwachheiten wie einen nassen Lappen ins Gesicht schleudern. Alle eure Dinge lasst in Liebe geschehen, auch dieses Wort ist von Paulus.
Und Paulus schreibt weiter: So werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen…also gilt für uns doch ein Gesetz? JA! Das Gesetz der Liebe. Und diese Liebe besteht nicht nur in frommen Worten und schönen Sprüchen, diese Liebe ist eine Liebe, die zupackt, wo es notwendig ist.
Tätige Nächstenliebe ist noch immer groß geschrieben in der Diakonie. Zupacken, wo man gebraucht wird. Viele sitzen hier, die könnten ohne fremde Hilfe gar nicht hier sein. Sie sind darauf angewiesen, dass jemand mit trägt, dass jemand mit zufasst, dass jemand hilft. Doch auch die Helfer sind nicht unendlich belastbar. Wir sind alles nur Menschen mit einer menschlichen Kraft.
Einer trage des anderen Last – das soll jetzt nicht heißen, dass einer alle Lasten trägt, dass die anderen ihm immer mehr aufbürden, da er ja alles so schön kann, da ja alles, was er anpackt, gelingt, da seine Teilnahme die Garantie für ein gutes Ende bedeutet. Wie gesagt, wir alle sind nur Menschen mit menschlicher Kraft.
Wenn uns Lasten auferlegt werden, dann ist es Gottes Wille, dass wir gemeinsam tragen.
Denn wenn alle mit anfassen, wenn jeder das tut, was er kann, um einem anderen die Last zu erleichtern, wenn jeder dem andern eine helfende Hand reicht, dann ist die Last auf viele Schultern verteilt, dann ist keine Gefahr, dass einer zusammenbricht, dann sind genug Leute da, die einander wieder aufhelfen können, falls doch mal einer nicht mehr weiter kann.
Es gab Feste hier in Sichem, da stand ein großer Kran auf dem Gelände und hat diejenigen, die wollten, in lichte Höhen empor gehoben. Für einen Kran eine leichte Last, ist er doch für viel schwerere Gewichte gebaut worden. Ein Kran ist geradezu prädestiniert, etwas hochzuheben oder umzulagern.
Doch selbst ein solcher großer starker Kran kann an Überlastung kaputt gehen oder was noch schlimmer ist: Er kann umkippen, so wie es vor wenigen Wochen in Leipzig passiert ist. Und dann ist der Schaden groß und manchmal sind sogar Menschenleben zu beklagen.
Was lehrt uns das? Wer Lasten tragen will, braucht auch einen festen Untergrund, sonst versinkt er im Morast, er verschwindet im Sumpf. Er braucht einen Halt, sonst könnte er ins Straucheln oder Stolpern geraten, dann kommt alles ins Rutschen und stürzt ab.
Diesen Halt will uns Gott bieten – er hat uns seinen Sohn gesandt, um uns zu retten, und er hat uns den Heiligen Geist gesandt, der uns aufhelfen kann.
Und noch eines möchte ich loswerden: keiner soll denken, er sei zu schwach zum Mittragen. Vielleicht mag er körperlich schwach sein, vielleicht sitzt er oder sie im Rollstuhl oder ist gar bettlägerig und denkt, es geht nichts mehr…doch etwas kann jeder tun, und wenn er noch so schwach ist – die Hände falten und beten. Soll niemand sagen, das Gebet wäre keine Kraft…
Beten, jemanden im Gebet segnen, für jemanden Fürbitte tun…all das kann jeder, ganz egal wo er ist, ganz gleich ob er ganz allein im stillen Kämmerlein sitzt oder unter vielen Menschen. Und dann darf man sich getrost überraschen lassen, was passiert.
So dürfen wir alle – ganz gleich, ob wir ein großer starker Kran sind oder nur ein kleiner schwacher Mensch – tragen, ein jeder nach seinen vorhandenen Fähigkeiten.
Siegfried Fietz, ein christlicher Liedermacher und Sänger, hat zu unserem Vers ein wundervolles Lied geschrieben. Lasst es mich zum Schluss vorlesen.
Den Text habe ich aus urheberrechtlichen Gründen entfernt. Amen.