Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage. Lukas 18,2-5
Die Armen haben keine Lobby – so war es offensichtlich schon im Altertum. Wer Geld hatte, konnte sich schon immer einen Vorteil verschaffen. Wer nur das Nötigste besaß, hatte keine Chance. Die Zeiten haben sich zwar geändert, aber nicht die Verhältnisse. Und schon immer hatte Korruption Hochkonjunktur. Lässt sich doch fabelhaft daran verdienen. So wie dieser Richter, der sich einen kleinen oder auch größeren Nebenverdienst verschaffte, indem er sich und seine Urteile kaufen ließ.
Doch die Witwe hatte nichts zu verlieren. Ich weiß nicht, um was es in ihrem Streit gegen wen auch immer ging, aber für sie war es offensichtlich ein wichtiges, ja sogar überlebenswichtiges Thema. Also blieb sie hartnäckig. Nervtötend tauchte sie immer wieder bei dem Richter auf und forderte ihr Recht. Recht, das sie nicht bezahlen konnte. Witwen hatten meistens nur das Notwendigste zum Leben und nichts übrig für Sonderausgaben.
Doch dieser Richter dachte nicht an das Gebot in 2. Mose 22,21 „Ihr sollt Witwen und Waisen nicht bedrücken.“ Andererseits liebte er seine Bequemlichkeit, seine Ruhe und seinen Frieden. Dieser wurde durch die Witwe auf das empfindlichste gestört. Und feige war er auch noch. Er bekam es nämlich mit der Angst zu tun. Angst, dass die Witwe – eine schwache Frau! – ihm eines Tages nicht nur mit Worten, sondern mit den Fäusten gegenübertreten könnte.
Und das war dann das ausschlaggebende für sein Urteil, das er schließlich verkündete: Recht für die Witwe.
Ein solcher Richter ist Gott nicht. Er will, dass wir zu ihm kommen, aber er wird sich nicht beschweren, wenn wir immer wieder mit derselben Sache zu ihm kommen, sondern er freut sich, wenn wir alles, was uns bedrückt, zu ihm bringen. Und er wird uns helfen, manchmal allerdings anders, als wir es uns vorgestellt haben.