Der Schatz im Acker

DSC_1637Diese Predigt habe ich das erste Mal am 28.07.2013 in der Gemeinde in Kirchberg gehalten…

Liebe Gemeinde, ich möchte Euch ein Märchen erzählen….

Die Wünsche des Bauern

Es war einmal ein armer chinesischer Reisbauer, der trotz all seines Fleißes in seinem Leben nicht vorwärts kam. Eines Abends begegnete ihm der Mondhase, von dem jedes Kind weiß, dass er den Menschen jeden Wunsch erfüllen kann.

„Ich bin gekommen“, sagte der Mondhase, „um dir zu helfen. Ich werde dich auf den Wunschberg bringen, wo du dir aussuchen kannst, was immer du willst.“

Und ehe er sich versah, fand sich der Reisbauer vor einem prächtigen Tor wieder. Über dem Tor stand geschrieben: „Jeder Wunsch wird Wirklichkeit“.

„Schön“, dachte der Bauer und rieb sich die Hände, „mein armseliges Leben hat nun endlich ein Ende.“ Und erwartungsvoll trat er durch das Tor.

Ein weißhaariger, alter Mann stand am Tor und begrüßte den Bauern mit den Worten: „Was immer du dir wünschst, wird sich erfüllen. Aber zuerst musst du ja wissen, was man sich überhaupt alles wünschen kann. Daher folge mir!“

Der alte Mann führte den Bauern durch mehrere Säle, einer schöner als der andere. „Hier“, sprach der Weise, „im ersten Saal siehst du das Schwert des Ruhms. Wer sich das wünscht, wird ein gewaltiger General; er eilt von Sieg zu Sieg und sein Name wird auch noch in den fernsten Zeiten genannt. Willst du das?“

„Nicht schlecht“, dachte sich der Bauer, „Ruhm ist ein schöne Sache und ich möchte zu gerne die Gesichter der Leute im Dorf sehen, wenn ich General werden würde. Aber ich will es mir noch einmal überlegen.“ Also sagte er: „Gehen wir erst einmal weiter.“

„Gut, gehen wir weiter“, sagte lächelnd der Weise. Im zweiten Saal zeigte er dem Bauern das Buch der Weisheit. „Wer sich das wünscht, dem werden alle Geheimnisse des Himmels und der Erde offenbar.“ sagte er.

Der Bauer meinte: „Ich habe mir schon immer gewünscht, viel zu wissen. Das wäre vielleicht das Rechte. Aber ich will es mir noch einmal überlegen.“

Im dritten Saale befand sich ein Kästchen aus purem Gold. „Das ist die Truhe des Reichtums. Wer sich die wünscht, dem fliegt das Gold zu, ob er nun arbeitet oder nicht.“ waren die Worte des alten Mannes.

„Ha!“, lachte der Bauer, „Das wird das Richtige sein. Wer reich ist, der ist der glücklichste Mensch der Welt. Aber Moment – Glück und Reichtum sind ja zwei verschiedene Dinge. Ich weiß nicht recht. Gehen wir noch weiter.“

Und so ging der Bauer von Saal zu Saal, ohne sich für etwas zu entscheiden. Als sie den letzten Saal gesehen hatten, sagte der alte Mann zum Bauern: „Nun wähle. Was immer du dir wünschst, wird erfüllt werden!“

„Du musst mir noch ein wenig Zeit lassen“, sagte der Bauer, „Ich muss mir die Sache noch etwas überlegen.“ In diesem Augenblick aber ging das Tor hinter ihm zu und der Weise war verschwunden.

Der Bauer fand sich zu Hause wieder. Der Mondhase saß wieder vor ihm und sprach: „Armer Bauer, wie du sind die meisten Menschen. Sie wissen nicht, was sie sich wünschen sollen, sie wünschen sich alles und bekommen nichts. Was immer sich einer wünscht, das wird ihm geschenkt – aber der Mensch muss wissen, was er will …“

Ja, der Mensch muss wissen, was er will, und er muss es auch ergreifen, wenn es sich ihm bietet – das ist wohl die Moral von der Geschichte, die wir eben gehört haben.

Dieser Bauer wollte zwar etwas, aber er wusste nicht so richtig was – und er wollte kein Risiko eingehen, er wollte auf Nummer Sicher gehen.

Dagegen ist ja an und für sich nichts einzuwenden, auf Nummer Sicher gehen zu wollen.

Und zu gönnen wäre es diesem Bauern sicher auch, einmal das große Los zu ziehen.

Schwer genug ist seine Arbeit, die er tagtäglich auf dem Feld verrichten muss.

Doch er geht kein Risiko ein und steht am Ende mit leeren Händen da. Drei Dinge sind unwiederbringlich, heißt es: der vom Bogen abgeschossene Pfeil, das in Eile gesprochene Wort und die verpasste Gelegenheit.

Diese verpasste Gelegenheit hat der Bauer wohl nie wieder bekommen, so verstehe ich diese Geschichte.

Jesus hat auch oft und gern Geschichten erzählt – wir wollen ein Kapitel des Matthäusbuches aufschlagen, in dem er eine Geschichte nach der anderen erzählt – wir nennen sie auch Gleichnisse.

Das Gleichnis vom Sämann, das die unterschiedlichen Reaktionen der Menschen auf die Gute Nachricht beschreibt, das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen, das darauf hinweist, dass erst zur Ernte das Unkraut und der Weizen getrennt werden,

das Gleichnis vom Senfkorn, das so klein ist und doch ein so großer Baum wird, und das Gleichnis vom Sauerteig, der in ganz kleiner Menge doch einen großen Trog Teig durchdringt.

Alle diese Gleichnisse erzählt Jesus seinen Jüngern, und er erklärt sie ihnen auch.

Und daran anschließend erzählt Jesus eine Geschichte, die von zwei ganz unterschiedlichen Menschen handelt. Diese haben aber dennoch eines gemeinsam – sie haben alles riskiert um einer einzigen Sache willen.

Ich lese unseren heutigen Predigttext aus Matthäus 13,44-46:

Vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle

44 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.

45 Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte,

46 und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Amen.

Noch einmal geht es zunächst um einen Bauern…nennen wir ihn einfach mal Simon….

Tagtäglich schuftet er auf einem Feld, das nicht ihm gehört, Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn, er pflügt und ackert auf diesem Feld, um es fruchtbar zu machen – und auf einmal bleibt der Pflug stecken, es geht nicht mehr vor und zurück…

Es werden wohl keine Lobgesänge gewesen sein, die Simon von sich gegeben hat, als der Pflug steckenblieb.

Doch es bleibt ihm nichts anderes übrig, als nachzusehen. Mit bloßen Händen buddelt er im Feld. Und was steckt da in der Erde und behindert ihn an der Arbeit? Es wird nicht genau beschrieben, es könnte ein Krug gewesen sein, an dem die Pflugschar hängen geblieben ist.

Simon öffnet den Krug – eine große Menge Goldmünzen blinken um die Wette, so dass es ihm fast den Atem verschlägt.

Was tun? Das ist jetzt die große Frage. Gebe ich den Schatz meinem Arbeitgeber, dann bekomme ich wenn überhaupt nur einen kleinen Finderlohn…nehme ich ihn einfach mit nach Hause, tue ich Unrecht…lasse ich ihn liegen, dann findet ihn ein anderer, so oder ähnlich mögen seine Gedanken kreisen.

Schließlich entscheidet er sich, gräbt den Krug wieder ein und pflügt weiter – die Furche ist etwas krumm geraten, weil er den Pflug um den Schatz herum führte. Als Feierabend ist, geht er wie immer nach Hause und sucht in seinem kleinen Häuschen zusammen, was sich irgendwie zu Geld machen lässt. Schwer beladen geht er zum Basar und verkauft alles, was nicht niet- und nagelfest ist.

Am nächsten Tag spricht er bei seinem Dienstherrn vor: „Herr, der steinige Acker, auf dem ich für dich arbeite, ich will ihn dir abkaufen. Ich möchte ihn mir herrichten.“ Der Acker wechselt den Besitzer, damit wird Simon der rechtmäßige Eigentümer des Schatzes.

Die Geschichte hat ein Ende wie im Märchen – der arme Mann wird plötzlich unglaublich reich.

Der andere Mann in unserer Geschichte ist nicht arm, so wie Simon, er ist ein erfahrener Händler, ich nenne ihn einfach mal Juda, und er handelt nicht mit irgendwas, nein, er hat sich auf Perlen spezialisiert.

Tagtäglich geht er auf verschiedene Basare, er sieht sich überall um, kauft und verkauft Perlen, er kennt sich mittlerweile hervorragend mit ihnen aus. Er ist ein Experte geworden.

Abends sitzt er mit anderen Händlern zusammen, sie tauschen Erfahrungen aus, und immer wieder träumt einer der Händler laut vor sich hin: „Ach, es muss doch die EINE, DIE EINZIGE, DIE VOLLKOMMENSTE PERLE geben! Irgendwo! Wenn ich sie in die Hände bekomme, dann….“ Und das Träumen geht weiter, das Träumen vom einmaligen Erfolg.

Eines Tages geht Juda wieder wie gewohnt über einen Markt, er tritt an einen Stand, an dem es Perlen zu kaufen oder zu tauschen gibt, und plötzlich wird ihm ganz heiß. Das was da vor ihm auf einem Samtdeckchen liegt, so etwas hat er noch nie gesehen. Das ist sie! Ist sein erster Gedanke.

Groß, zart schimmernd, von vollkommener Reinheit, einmalig in ihrer Qualität, eigentlich unbezahlbar – so liegt eine Perle vor ihm, wie es wahrscheinlich wirklich keine zweite geben kann. Und der Besitzer scheint keine Ahnung zu haben, wie viel sie wirklich wert ist.

Aber Juda weiß es, denn er kennt sich ja bestens aus, wie wir wissen.

Aber so reich, dass er diese Perle bezahlen könnte, ist er nicht. Er müsste alles, was er besitzt, hergeben, um den Kauf dieser einen Perle finanzieren zu können. Und genau das macht er – er verkauft seinen ganzen Perlenbestand, und dann geht er zu dem Besitzer dieser einmaligen Perle und kauft diese.

Beide – Simon, der Bauer, und Juda, der Perlenhändler, sind überglücklich, so erzählt Jesus.

Beide haben alles riskiert, haben ihren ganzen Besitz hergegeben, nur um diesen einen Besitz zu haben.

Aber beide waren auch nicht wirklich ehrlich zu den Verkäufern. Simon hat seinem Dienstherrn nicht erzählt, dass er einen Schatz gefunden hat, und Juda hat dem Besitzer der Perle ihren wirklichen Wert auch verschwiegen.

Sie haben nicht richtig gelogen, sie haben nur nicht alles gesagt.

Heißt das jetzt, dass Jesus, der diese Geschichte erzählt hat, die Unehrlichkeit dieser beiden kleinen Gauner gutheißt?

Wer so fragt, vergisst, um was es in dem Gleichnis wirklich geht.

Unehrlichkeit – das hätte zur Folge, dass sie beklagt werden, dass sie angeklagt werden, dass geklagt wird. Doch hier wird überhaupt nicht geklagt, hier kommt Freude auf, und das nicht zu knapp.

Hier geht es um die Freude des Findens, um das Glück, etwas unglaublich Wertvolles erreicht zu haben. Beide Männer haben den Fund ihres Lebens gemacht. Beiden Männern ist etwas passiert, das wohl jeder sich wünscht. Aber es ist ihnen unvorhergesehen, überraschend, unerwartet geschehen.

Genauso unverhofft wie es in Jesaja 52,15 steht: Denn denen nichts davon verkündet ist, die werden es nun sehen, und die nichts davon gehört haben, die werden es merken.

In den Gleichnissen finden die beiden Entdecker ihren Schatz bei der Arbeit, völlig ohne Absicht. Das Glück widerfährt ihnen einfach so.

Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Auch das steht im Jesajabuch 55,2.3a.

Kann es eine bessere Botschaft geben als diese?

Das Leben heutzutage ist eine große Schatzsuche – da wird die Erfüllung in allem möglichen gesucht, in der Arbeit, in der Sexualität, in der Kunst, im Konsumieren von Alkohol und Drogen, manche füllen Woche für Woche einen Lottoschein aus in der Hoffnung, endlich vom großen Kuchen auch ein Stück abzubekommen….

Dabei kann es doch so einfach sein!

Das Evangelium – die frohe Botschaft von der Erlösung – ist für uns genauso ein Schatz wie der Krug voller Goldstücke oder wie die einzigartige Perle…

Sind wir bereit, dafür alles hinzugeben? Oder denken wir kleinlich, wollen uns absichern, überlegen, so wie der Bauer in der Eingangsgeschichte?

Simon und Juda, unsere beiden Hauptakteure, haben alles riskiert und alles gewonnen.

Und noch eines verbindet diese beiden — sie haben die Augen offen gehabt, um das zu finden, was sie gefunden haben – wie oft passiert es, dass jemand viel zu spät erkennt, er ist am wirklich Wertvollen vorbei gegangen, er war blind für das, was er bekommen sollte, blind für das, was ihm gut getan hätte.

Und das Wort „zu spät“ ist dann endgültig….

Ich möchte euch noch eine Geschichte erzählen:

Nur Steine!

Es war einmal ein Farmer in Australien. Der hörte, dass viele dabei waren, ihre Farm zu verkaufen, um nach Diamanten zu schürfen. Einige waren auf diese Weise schon sehr reich geworden.

Der Mann entschied sich, ebenfalls seine Farm zu verkaufen, und er fand auch schnell einen Käufer. Mit dem Geld machte er sich auf, um nach Diamanten zu schürfen.

Es verging ein Monat und er hatte nichts gefunden. Auch nach zwei, drei und sechs Monaten war seine Suche erfolglos. Er suchte noch ein weiteres halbes Jahr und war am Ende so verzweifelt, dass er sich von einer Brücke stürzte und sich das Leben nahm.

Der Mann hingegen, der die Farm von dem erfolglosen Diamantensucher gekauft hatte, wunderte sich über die Steine, die dort überall auf dem Land lagen. Er nahm einen der Steine mit zu einem Experten und der teilte ihm mit, dass dies einer der größten Diamanten war, den er je gesehen hatte.

Es gab unzählige dieser Steine auf dem Gelände der Farm, nur hatte sie bisher niemand erkannt, da sie roh und ungeschliffen waren.

Lasst uns die Augen offen halten, lasst uns wie Simon und Juda die Gelegenheit ergreifen und sie nicht verpassen.

Der Lohn, der uns dafür in Aussicht gestellt ist und den wir bekommen, ist ein Leben, wie wir es uns in unseren kühnsten Träumen nicht vorstellen können.

Lasst es uns riskieren. Amen.

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