Jesus ist stärker

SAMSUNG CAMERA PICTURESDiese Predigt habe ich zum ersten Mal am 16.11.2011 in meiner Heimatgemeinde gehalten. Mit leichten Abwandlungen ist sie hier veröffentlicht.

Ich lese unseren heutigen Predigttext aus Markus 9, 17-27.

17 Einer aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist.

18 Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten’s nicht.

19 Er aber antwortete ihnen und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir!

20 Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund.

21 Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist’s, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf.

22 Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!

23 Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst – alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.

24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben!

25 Als nun Jesus sah, dass das Volk herbeilief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein!

26 Da schrie er und riss ihn sehr und fuhr aus. Und der Knabe lag da wie tot, sodass die Menge sagte: Er ist tot.

27 Jesus aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf. Amen.

Ein evangelischer Pfarrer, ein Methodistenpastor und ein katholischer Priester sitzen in einem Boot auf einem See. Da es sehr heiß ist, sagt der evangelische Pfarrer: “Ich gehe mal eben was zu trinken holen.” Steht auf, läuft über den See und bringt kurz darauf etwas zu trinken.

Nach einer Weile sagt der Methodistenpastor: “Ich besorge etwas zu essen.” Steht auf, geht über den See und bringt etwas zu essen. Kurze Zeit später will der katholische Priester den beiden in nichts nachstehen und sagt: “Ich hole das Eis zum Nachtisch!” Steht auf, verlässt das Boot – und geht unter.

Die beiden anderen helfen ihm, wieder ins Boot zurück zu kommen. Da meint der evangelische Pfarrer: „Wir hätten ihm doch sagen sollen, wo die Steine liegen.“ Darauf der Methodistenpastor: „Steine? Welche Steine?“

Diese nicht ganz ernst zu nehmende Geschichte hat einen ganz ernsten Hintergrund. Unser heutiger Predigttext hat eine zentrale Stelle, eine zentrale Aussage: Glaube kann Berge versetzen. Oder er kann uns über Wasser halten. Glauben, Vertrauen – diese beiden Worte kann man als Synonyme verwenden, untereinander austauschen.

Dabei kommt es nicht auf Quantität, sondern auf Qualität an. Wenn euer Glaube klein wäre wie ein Senfkorn, sagt Jesus in der Parallelstelle in Matthäus 17,23, dann könntet ihr zu diesem Berg sagen: „Hebe dich hinweg“, so wird er sich heben.
Nicht Quantität, sondern Qualität. Glaube, der mit allem rechnet.

Woran glauben wir heute? Jeder Mensch glaubt ständig und immer. Niemand glaubt nichts.

Wenn ich früh in mein Auto steige und auf Arbeit fahren will, glaube ich, dass der Motor anspringt, wenn ich den Zündschlüssel drehe. Ist das mit Glauben gemeint? Glaube an die Technik, an die Konstrukteure, an die Monteure, die das Gefährt zusammengebaut haben?

Wenn ich die Zeitung aufschlage und Nachrichten lese, glaube ich, ordentlich und neutral informiert zu werden. Ist das der Glaube, von dem hier die Rede ist? Glaube an die Journalisten, die Nachrichtensprecher, die Fotografen?

Wenn ich zum Arzt gehe, glaube ich, dass er mir helfen kann. Reden wir von diesem Glauben? Glaube an die Medizin, die Forschung, die Pharmazie?

Und wenn mein Glaube enttäuscht wird? Wenn mein Auto nicht anspringt, wenn die Nachricht sich als Falschmeldung, als Ente herausstellt, wenn die Medizin nicht wirkt?

Enttäuschter Glaube kann ganz schön nachhaltig wirken.

Der Glaube, von dem Jesus hier spricht, hat eine ganz andere Dimension.

Sehen wir uns die Geschichte näher an.

„Einer aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr.“

Die Krankheit dieses Jungen war höchstwahrscheinlich Epilepsie. Selbst heute stellen sich bei Betroffenen oft Angst, Furcht, Zorn oder auch Hilflosigkeit und Schuldgefühle ein. Vielen gehen irgendwann einmal gehörte Vorurteile über Menschen mit Epilepsie („Epileptiker“) durch den Kopf. Sind dies nicht irgendwie Behinderte oder möglicherweise sogar Geisteskranke?

Die Epilepsie ist eine Krankheit, die vom Gehirn ausgeht. Mit Geisteskrankheit hat sie nichts zu tun und führt überwiegend nicht zu einem Nachlassen der Intelligenz. Eine Epilepsie kann man behandeln und in sehr vielen Fällen ausheilen.

Das wissen wir heute, aber damals waren Krankheiten, vor allem Krankheiten ohne äußere Signale den Menschen unheimlich – diese Kranken wurden als besessen von einem bösen Geist angesehen. Und mancher wird auch gedacht haben, dies ist eine Strafe für begangene Sünden, so wie die damalige Theologie lehrte.

Hilflos, das ist dieser Vater. Aber nicht hoffnungslos. Denn er geht zu jemandem, dem er Hilfe zutraut. Er bittet um Hilfe, diese bleibt jedoch aus.

„Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten’s nicht.“

Ja, hier haben die Jünger offensichtlich versagt – und das, obwohl ihnen bereits bei der Berufung Jesus die Vollmacht erteilt hatte, böse Geister auszutreiben. Obwohl drei von ihnen kurz vor dieser Episode mit Jesus auf dem Berg der Verklärung waren und die wundervolle Verwandlung miterlebt hatten. Vergesslichkeit – oder Unglaube – oder ganz einfach die Annahme, nicht berechtigt zu sein Wunder zu tun? Die Jünger haben jedenfalls kapituliert.

Der Vater des kranken Jungen ist natürlich von den Jüngern maßlos enttäuscht. Er sieht seinen Glauben unerfüllt. Er hatte sich auf die Jünger verlassen, und nun ist er verlassen. Und er protestiert. Lautstark, so laut, dass Jesus aufmerksam wird und fragt, was los ist.

Jesu Reaktion ist völlig verständlich.

„Er aber antwortete ihnen und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir!“

Jesus reagiert sehr emotional. Zornig wird er. Oft genug hatte er bewiesen, was möglich ist, und jetzt dieses Versagen seiner Nachfolger!

Geht es uns aber heute anders als den Jüngern damals? Sind wir nicht auch oft in einer Situation, in der unser Glaube versagt, in der wir vergessen, wie oft uns Gott schon geholfen hat, aus wie vielen Notlagen er uns schon heraushalf?

Dankbarkeit hat oft ein kurzes Gedächtnis, habe ich vor einigen Tagen gelesen. Wie wahr. Leider ist es wahr. Wie schnell gehen wir zur Tagesordnung über, als wenn nichts gewesen wäre.

Und so geht es den Jüngern. Sie haben vergessen, was sie kurz vorher erlebt haben, sie sind wieder in ihr altes Verhaltensmuster zurückgekehrt und müssen sich gefallen lassen, von Jesus getadelt zu werden.

Aber gleichzeitig bietet Jesus seine Hilfe an. Er schickt den verzweifelten und verängstigten Vater nicht fort, sondern lässt den Kranken zu sich bringen.

„Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund.“

Der Geist hat Angst vor Jesus, so interpretiert der Evangelist diese Szene. Angst vor der Allmacht Jesu, Angst davor, den Kürzeren zu ziehen.

Ein typischer Anfall von Epilepsie. Ein schwerer Anfall. Für die Zuschauer wahrscheinlich sehenswert. Ich kann mir vorstellen, dass sich eine große Menschenmenge versammelt hat, um das zu sehen. Die Hälse werden immer länger, und hinter vorgehaltener Hand wird getuschelt.

„Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist’s, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte.“

Jesus erfragt die Anamnese, die Krankheitsgeschichte. Und er erfährt, dass die Krankheit den Jungen seit seiner Geburt quält. Immer wiederkehrende Anfälle haben das Leben des Jungen gefährdet. Die Eltern leben in ständiger Angst, dass ein erneuter Anfall der letzte sein kann, wenn nämlich ein tödlicher Unfall dem Leben des Jungen ein Ende setzt.

Die Ärzte können dem Kind nicht helfen, sie sind machtlos. Deshalb hat sich der Vater mit seinem Sohn auf den Weg gemacht, in der letzten Hoffnung, dass ihm bei Jesus oder seinen Jüngern Hilfe zuteilwerden kann.

Nun sind dem Vater des Jungen Zweifel gekommen. Die Zweifel sitzen jetzt natürlich fest bei dem Vater, nachdem ihn die Jünger bereits enttäuscht haben.

„Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!“ Ein letzter Hilfeschrei, ein Aufbäumen gegen das Schicksal, das die ganze Familie jahrelang gequält hat. Und er fasst seine Zweifel in Worte – „wenn du etwas kannst“ – dieses einschränkende Wörtchen „wenn“.

Es ist nicht verwunderlich, dass der Vater so reagiert – immer und immer wieder enttäuscht zu werden, kann einen schon zweifeln lassen. VERZWEIFELN lassen.

Und trotzdem wagt er es, noch einmal um Hilfe zu bitten. Er sieht keinen anderen Ausweg mehr. Er hat nichts mehr zu verlieren.

Die Antwort Jesu fällt allerdings auf den ersten Blick ernüchternd aus.

„Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst – alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“

Diese Antwort Jesu klingt zuerst ausweichend. Aber hier kommen wir zum Kerngedanken der Geschichte. Glaube ist eine allumfassende Kraft. Glaube befähigt uns, etwas zu tun, was keiner für möglich hält.

Und der Glaube muss nicht einmal groß sein – wie ich am Anfang schon sagte, Glaube so klein wie ein Senfkorn genügt, um eigentlich Unmögliches möglich werden zu lassen.

Jesus sagt in Johannes 14,12: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und er wird noch größere als diese tun.

Auf seine Zusage können wir uns berufen, wenn wir wieder einmal am Ende mit unserem Glauben sind, wenn Zweifel in uns aufsteigen, wenn wir nicht wissen, wie es weitergehen soll. „Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und er wird noch größere als diese tun.“

„Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“

Das ist die einzige richtige Antwort. Der Vater ist verzweifelt, aber er will glauben. Er bittet um den Glauben, weil er weiß, nur das kann ihn bzw. seinen Sohn retten. Er glaubt nicht aus sich selbst heraus, sondern fleht um die Kraft zu glauben. Und hier ist nicht dieser oberflächliche Glaube gemeint, der sagt: Ich glaube, morgen wird schönes Wetter…

Nein, hier ist der Glaube gemeint, der wirklich Berge versetzt. Hier ist der Glaube gemeint, der nicht sehen muss. Hier ist der Glaube gemeint, der Wasser zu Wein werden und den unfruchtbaren Feigenbaum verdorren ließ.

Ein solcher Glaube hat Folgen.

„Als nun Jesus sah, dass das Volk herbeilief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein! Da schrie er und riss ihn sehr und fuhr aus.“

Hier wird nun auf sehr eindrucksvolle Weise die Allmacht Gottes deutlich. Auf spektakuläre Art und Weise, und das vor vielen Zeugen.

Auffällig ist, dass dieser Geist als sprachlos und taub bezeichnet wird, taubstumm, wie der Volksmund sagt. Und trotzdem hört dieser Geist den Befehl Jesu und befolgt ihn. Jesus hat Macht auch über die Geister, die ihn gar nicht hören können. Es ist gar nicht notwendig, dass sie ihn hören, sie spüren seine Übermacht, und das genügt.

Ich habe anfangs gesagt, dass Epilepsie eine Krankheit ist, die vom Gehirn ausgeht, also keine Geisteskrankheit. Hier wird jedoch eindeutig von einem Geist gesprochen. Ist das ein Widerspruch? NEIN!

Markus will hier darauf hinweisen, welche Macht Jesus hat – ganz gleich, ob es sich um einen Geist oder um eine Krankheit handelt, Jesus ist stärker. Er bezieht seine Kraft aus seinem Vater und setzt sie ein.

„Und der Knabe lag da wie tot, sodass die Menge sagte: Er ist tot.“

Der Geist ist verschwunden, und der Junge liegt da wie tot, er ist erst einmal so schwach, dass er von der Menschenmenge für tot gehalten wird.

Und die Menschen haben ihn ganz schnell abgeschrieben – der Junge wird für tot gehalten, die Zuschauer zucken mit den Schultern und wenden sich bereits ab. Das Schauspiel hat ein Ende, es war interessant, morgen haben wir Gesprächsstoff für den ganzen Tag.

Und wieder tut Jesus das Gegenteil – er wendet sich nicht ab, er schreibt den Jungen nicht ab, er schreibt niemanden ab.

Er bringt den Beweis, dass der Glaube Berge versetzen kann, dass der Glaube Unmögliches möglich machen kann.

„Jesus aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.“

Jesus ist der Herr über Leben und Tod. Der Herr über Gesundheit und Krankheit. Es ist nicht das erste und nicht das letzte Wunder, das er tut. Es ist ein Wunder, das er in aller Öffentlichkeit tut, und im Gegensatz zu etlichen anderen Wundern verbietet er hier nicht, weiter zu sagen, was geschehen ist.

Mit Sicherheit haben sich die Zuschauer noch einige Zeit über das Erlebte ausgetauscht – bis es neuen Gesprächsstoff gab. Es war genau wie heute.

Nichts hat sich geändert. Auch heute noch werden wir herausgefordert zu glauben. Glauben an Jesus Christus. Besser noch, wir sagen nicht „Wir glauben an Jesus Christus“, sondern wir sagen „Wir glauben Jesus Christus“.

Dieser Glaube hat auch für uns Folgen – wir verlassen uns auf Gott, und dann sind wir nicht verlassen.

Dann brauchen wir keine Steine, um über Wasser zu bleiben, dann haben wir einen, der uns über Wasser hält.

Lassen wir uns darauf ein – lassen wir es darauf ankommen – dazu will ich uns alle heute einladen. Amen.

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