Jesus – Gottes Sohn

SAMSUNG CAMERA PICTURESDie folgende Predigt habe ich bisher nur in meiner Heimatgemeinde gehalten – am 13.01.2013.

Ich möchte mit Euch eine Wanderung unternehmen – stellt Euch vor, wir leben in Jerusalem vor ca. 2000 Jahren.

Es ist eine trockene Gegend, durch die wir laufen – von Jerusalem bis hinaus an den Jordan. Wir brauchen den Weg nicht zu kennen – wir brauchen nur den vielen Menschen hinterher zu gehen, die vor uns unterwegs sind. Alle scheinen das gleiche Ziel zu haben. Als wir am Jordan ankommen, steht einer vor uns, dessen Äußeres nicht unbedingt einladend wirkt. Ungepflegtes Aussehen, ein braunes Gewand, das anscheinend aus Kamelhaar gefertigt ist, nur mit einem einfachen ledernen Gürtel zusammengebunden.

Aber was dieser Mann erzählt, das berührt unser Herz…und davon wird überall gesprochen…Im Zeitalter ohne Zeitungen, ohne Telefon, ohne Internet hat sich trotzdem herumgesprochen, dass da draußen am Jordan etwas geschieht, das nicht alle Tage vorkommt.

Es ist die Stimme des Rufenden in der Wüste „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ Johannes – so heißt dieser Mann. Johannes mit Beinamen „der Täufer“. Und das ist er unverkennbar, denn er tauft die Leute im Jordan – fast kommt er nicht nach, so viele stehen bereit, um sich von ihm untertauchen zu lassen.

Gestern – so wird uns berichtet – gestern war einer da, den wollte Johannes erst nicht taufen…er fühlte sich nicht würdig, seinem Gegenüber diesen Dienst zu tun. Erst auf sein Zureden hin – das eher einer Zurechtweisung geglichen hat – erst dann hat Johannes diesen Mann getauft. Anschließend ist etwas Merkwürdiges geschehen, so erzählen die, die gestern schon da waren – wie eine Taube kam etwas herab geflogen, wie aus dem Nichts ist diese von oben herab erschienen. Eine Stimme erklang – aber manche der Umstehenden konnten nicht verstehen, was sie sagte, nur Johannes hörte aufmerksam zu und schien zu begreifen, was da geschah.

Nun stehen wir da und sehen zu, wie er heute wieder die vielen Menschen zur Buße ruft und wie er sie tauft…Plötzlich hält er inne —- Ich lese unseren heutigen Predigttext. Er steht im Johannesevangelium Kapitel 1, 29-34:

29 Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!

30 Dieser ist’s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich.

31 Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er Israel offenbart werde, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser.

32 Und Johannes bezeugte und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm.

33 Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich sandte zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf wen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem Heiligen Geist tauft.

34 Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn. Amen.

Johannes weiß ganz genau, wen er da vor sich hat – hat er doch am Vortag gesehen, was passiert ist. Er sieht in Jesus nicht nur einen, der genauso wie er selbst ernsthaft am Aufbau des Reiches Gottes beteiligt ist – er sieht in Jesus denjenigen, der das Himmelreich selbst aufbaut. Und Johannes ist bescheiden – später sagt er von Jesus „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“…. Doch auch Zweifel bleiben nicht aus – als Johannes im Gefängnis sitzt, lässt er bei Jesus anfragen „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“

Jetzt aber – in diesem Moment, hat Johannes keinerlei Zweifel an der Identität dessen, der vor ihm steht…Siehe, das ist Gottes Lamm! Erinnert uns das nicht an das Lamm, das in Ägypten in jedem jüdischen Haus geschlachtet wurde, damit der Engel des Todes in der Nacht den erstgeborenen Sohn verschont? Und erinnert uns das nicht an das Opferlamm, das zum Passahfest im Tempel geschlachtet wurde als Sühne für die begangenen Sünden? Ganz rein musste es sein, durfte keinen Makel haben, sonst war die Sühne nichts wert. Und erinnert uns das nicht auch an den Vers aus Jesaja „Er tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird“?

Johannes meint hier sicher all das, wenn er sagt „Siehe, das ist Gottes Lamm“ – aber er geht auch noch weiter – Gottes Lamm, das ist das Kind in der Krippe, das ist der 12-jährige Junge, der die Schriftgelehrten im Tempel beeindruckt, das ist der Wanderprediger und Wundertäter, der sich am Jordan taufen lässt – und das ist auch der am Ende Gekreuzigte und Auferstandene, – Gottes Lamm, das der Welt Sünden trägt.

Die beiden sind sich schon begegnet, als sie noch gar nicht geboren waren: Maria ging zu Elisabeth und das Kind in deren Leib hüpfte vor Freude – es fühlte schon damals, wer ihm da entgegentrat…Diese Freude teilte sich den beiden Frauen mit, so dass Elisabeth Maria als „Mutter ihres Herrn“ bezeichnet – und Maria wird so erfüllt von der Freude, dass sie das Magnifikat anstimmt – den Lobgesang, der von der Herrlichkeit des Herrn erzählt…

Wir leben in der Zeit kurz nach Epiphanias – Epiphanias heißt so viel wie „Erscheinung“, das Aufleuchten der Herrlichkeit Gottes in Jesu Christi. Epiphanias bedeutet dann: Hier ist einer, der mit der Herrlichkeit Gottes angetan ist. Was ist aber an diesem Mann so herrlich, der da vor Johannes steht und der gestern durch ihn getauft wurde? Nichts Besonderes ist zu erkennen, keine Herrlichkeit oder Hoheit. Sein erstes Bett war eine Futterkrippe, er sagt von sich selbst, dass er nichts hat, wo er sein Haupt hinlegen kann – dabei hat jeder Vogel sein Nest und jeder Fuchs seinen Bau…

Aber was ist denn Herrlichkeit – für uns heute?

Was ist daran herrlich, wenn einer sein Talent nur dazu einsetzt, andere niederzuknüppeln, anstatt ihnen aufzuhelfen?
Was ist daran herrlich, wenn eine Regierung ihr Volk nicht mehr als Gegenüber, sondern nur noch als willige Sklaven ansieht, wenn sie die Menschen auspresst wie eine Zitrone?
Was ist daran herrlich, wenn ganze Ernten vernichtet werden, nur um den Getreidepreis in die Höhe zu treiben?
Was ist daran herrlich, wenn Kinder als Soldaten eingesetzt werden, anstatt ihre Kindheit wie Kinder verbringen zu können?

Hier ist einer, der nichts von alledem tut, sondern der einfach sagt: „Ich bin für euch da, ich bin für euch gekommen, ich nehme eure Sünde, eure Lasten auf mich und trage sie für euch.“ Johannes hat gesehen, dass Jesus ein Mensch ist, dass er den Weg eines Menschen geht. Jesus hat sich taufen lassen wie so viele neben ihm. Er steht wie diese im Wasser des Jordans. Jesus hat sich untertauchen lassen, das Wasser schlug über ihm zusammen. Ein Symbol für die Fluten, die über uns manchmal zusammenschlagen. Dabei ist nicht unbedingt das Wasser gemeint, nein, es sind unsere Schuld und unsere Angst. Schuld und Angst, die uns lähmen können, die uns einreden können, dass doch alles keinen Sinn hat. Und nun steht Jesus da, lässt sich taufen, und es ertönt eine Stimme: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe…“

Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt…Dieser ist’s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. So spricht Johannes weiter – er weiß, dass Jesus derjenige ist, der zu Recht von sich sagen kann: „Ich bin derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“…und er weiß, dass Jesus der Einzige ist, der das von sich sagen darf. Bereits im Vers 15 des 1. Kapitels im Johannesevangelium heißt es schon einmal „Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich“.

Johannes wiederholt das, was ihm wichtig ist – er kann es gar nicht oft genug betonen. Johannes ist derjenige, der nicht müde wird, immer wieder darauf hinzuweisen, dass er nicht der versprochene Retter ist, sondern nur der Wegbereiter, der Bote, der vorangeht und die Aufmerksamkeit der Zuhörer und Zuschauer auf den eigentlichen, den wichtigen Menschen lenken will.

31 Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er Israel offenbart werde, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser.

Die Zeit, in der Johannes und Jesus öffentlich auftreten, ist eine schwere Zeit für das Volk Israel. Israel ist kein freier Staat. Das Römische Weltreich ist die Besatzungsmacht, die mit eiserner Faust regiert. Katastrophale politische Verhältnisse, Gewaltherrschaft, Unsittlichkeit, fehlende einheitliche religiöse Führung, das sind die Kennzeichen dieser Zeit. Es wird Zeit, dass ein neuer Anfang gemacht wird. Der Schrei nach Befreiung wird immer lauter, die Hoffnung auf den Messias immer größer.

In diese Zeit hinein tritt Johannes plötzlich auf. Johannes hat einen klaren Auftrag – er soll die Menschen mit Wasser taufen, als Zeichen dafür, dass sie ihre Sünde bereuen und Buße tun wollen. Und er hat Erfolg, zumindest vorerst. Es wird beschrieben, dass ganz Jerusalem und Judäa und alle Länder am Jordan zu ihm gehen, jeder, auch die Soldaten und die Zöllner fragen ihn, was sie tun sollen, bekennen ihre Sünden und lassen sich taufen. Und Johannes sagt ihnen, was sie ändern sollen – die Zöllner sollen nicht mehr fordern, als ihnen zusteht, die Soldaten sollen niemandem Gewalt antun, sich mit ihrem Lohn zufriedengeben und keine falschen Anschuldigungen erheben, die übrigen Zuhörer sollen Kleidung und Speisen mit den Bedürftigen teilen…

Was würde Johannes zu uns wohl heute sagen, wenn er hier auftreten würde? Vielleicht würde er zu uns sagen, wir sollen nicht auf andere herabblicken, die weniger zu sein scheinen, vielleicht sollen wir ganz einfach die Liebe leben, die uns geschenkt worden ist.

Und nun kommt selbst der, von dem an anderer Stelle geschrieben ist, dass er vollkommen ohne Sünde war, selbst der kommt an diesen Ort und besteht darauf, von Johannes getauft zu werden.

32 Und Johannes bezeugte und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. 33 Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich sandte zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf wen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem Heiligen Geist tauft.

In den anderen Evangelien, Matthäus, Markus und Lukas, wird berichtet, dass der Geist wie eine Taube herabgeflogen kommt. Übereinstimmend erzählen diese drei, dass eine Stimme ertönt, die bezeugt, dass dieser Jesus der Sohn Gottes ist. Der Evangelist Johannes ist der einzige, der bei dieser Gelegenheit auch darauf hinweist, dass Jesus derjenige sein wird, der mit dem Heiligen Geist taufen wird.

So mancher von denen, die zu Johannes hinausziehen, denkt, er sei der versprochene Retter, er sei Elia, der wiedergekommen ist, um die Welt zu erlösen. Doch all diese Vermutungen weist Johannes von sich und zeigt immer wieder auf den, der der wirkliche Retter ist, auf den, der allein die Macht hat. Das äußere Zeichen dafür ist die Taube, die herabkommt.

Schon in alttestamentlicher Zeit gibt es Geschichten, in denen eine Taube eine wesentliche Rolle spielt – wir denken da an Noah, der eine Taube ausfliegen lässt, um festzustellen, ob die Erde langsam wieder trocken und bewohnbar wird. Eines Tages kehrt sie zurück mit einem Ölzweig im Schnabel als Zeichen, dass das Schlimmste überstanden ist, als Zeichen, dass Gott versöhnt ist.

Tauben waren von jeher die Opfertiere der Armen, die sich ein Opferlamm nicht leisten konnten. Und hier schließt sich der Kreis zum Lamm – ganz gleich, ob ein großes oder kleines Tier, Opfertier sind sie beide. Aber nicht nur das. Es geht noch weiter.

34 Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn.

Johannes spricht hier als Augenzeuge, als einer, der dabei war. Er hat gesehen, dass die Taube – das Symbol des Heiligen Geistes – auf Jesus herabkam und er hat die Stimme gehört, die gesagt hat „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe…“ Aus dem Lamm Gottes wird der Sohn Gottes – das ist das Zeugnis, das uns Johannes an dieser Stelle überbringt.

Wir sind mit den vielen Menschen hinausgegangen zum Jordan, und wir stehen staunend am Ufer und sehen und hören zu, wie Johannes dieses Zeugnis über Jesus gibt. Was, wenn wir uns jetzt einladen lassen, mit ihm mitzugehen, was, wenn wir einfach glauben, dass Jesus Gottes Sohn ist, was passiert dann mit uns? Ganz einfach – dann wird sich das alles auch an uns erfüllen, was versprochen wurde – all das, was Maria in ihrem Magnifikat voraussagte, all das, was die Propheten versprachen.

Wir sind jetzt nicht mehr nur miteinander auf dem Weg, sondern wir sind jetzt mit Jesus auf dem Weg. Und wir können mit Johannes bezeugen: Dieser ist Gottes Sohn.

Amen.

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