Gottes Volk – ein unfruchtbarer Weinberg
Jesaja ist mein Lieblingsprophet im Alten Testament. Er hatte dem Volk Israel sowohl ins Gewissen zu reden als auch Trost zu spenden, letzteres vor allem während der Babylonischen Gefangenschaft. Doch zuerst war er ein Prophet, der seinen Mitmenschen ein hartes Gerichtsurteil zu verkünden hatte. Eine seiner bekanntesten Reden ist das Lied vom Weinberg, das Lied, das die Zerstörung Jerusalems und seines Tempels voraussagte. In der Übertragung der „Guten Nachricht“ ist dieses Lied in Versform gefasst. Ich möchte es hier mit Euch teilen.
1 Hört mir zu! Ich singe euch das Lied meines Freundes von seinem Weinberg:
Auf fruchtbarem Hügel, da liegt mein Stück Land,
2 dort hackt ich den Boden mit eigener Hand,
ich mühte mich ab und las Felsbrocken auf
baute Wachtturm und Kelter, setzte Reben darauf.
Und süße Trauben erhofft ich zu Recht,
doch was dann im Herbst wuchs, war sauer und schlecht.
3 Jerusalems Bürger, ihr Leute von Juda,
was sagt ihr zum Weinberg, was tätet denn ihr da?
4 Die Trauben sind sauer – entscheidet doch ihr:
War die Pflege zu schlecht? Liegt die Schuld denn bei mir?
5 Ich sage euch, Leute, das tue ich jetzt:
Weg reiß ich die Hecke, als Schutz einst gesetzt;
zum Weiden solln Schafe und Rinder hinein!
Und die Mauer ringsum – die reiße ich ein!
Zertrampelnden Füßen geb ich ihn preis,
schlecht lohnte mein Weinberg mir Arbeit und Schweiß!
6 Ich will nicht mehr hacken, das Unkraut soll sprießen!
Der Himmel soll ihm den Regen verschließen!
7 Der Weinberg des Herrn seid ihr Israeliten!
Sein Lieblingsgarten, Juda, seid ihr!
Er hoffte auf Rechtsspruch –
und erntete Rechtsbruch,
statt Liebe und Treue
nur Hilfeschreie! Jesaja 5, 1-7
Jedes Wort, das vom Weinberg spricht, meint das Volk Israel. Der Weingärtner, das ist Gott. Und er sitzt über seinem Volk zu Gericht. Und das Gericht kam dann auch – in Form der Babylonischen Gefangenschaft. Vollkommen zu Recht, wie wir meinen.
Doch haben wir das Recht, über den Israeliten zu Gericht zu sitzen? Haben wir das Recht, sie zu verurteilen? Wer von uns ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein, so möchte ich in Anlehnung an Jesu Worte sagen.
Gott, bewahre uns davor, überheblich zu werden.