Die lebendige Hoffnung

2016-04-03Die folgende Predigt habe ich heute in meiner Heimatgemeinde gehalten.

Petrus ist eine vielseitige Gestalt in der Bibel. Gelernter Fischer, schulte er um auf Jünger Jesu. Gern mit dem Mund vorneweg, dabei im Innersten ein richtiger Feigling, gibt es einige Geschichten von ihm zu erzählen.

Doch als Pfingsten kam, da gab es für Petrus nur noch eines: die Verkündigung des Evangeliums. Und die Legende erzählt, dass Petrus wie sein Herr Jesus gekreuzigt wurde. Allerdings, so wird berichtet, bat er darum, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt zu werden, weil er sich nicht würdig genug fand, genauso wie sein Herr zu sterben.

Uns sind nicht nur die Geschichten in den Evangelien überliefert, sondern auch zwei Briefe, die er als Sendschreiben an junge, also neue Gemeinden richtete. Die Gedanken im ersten Brief wollen und sollen bewirken, dass sich die christlichen Gemeinden in der bevorstehenden Leidenszeit bewähren.

Ich lese unseren heutigen Predigttext im 1. Petrus 1, 3-9
Überschrieben ist der Text mit „Lebendige Hoffnung“

3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten,

4 zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch,

5 die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereit ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit.

6 Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen,

7 damit euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus.

8 Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht; ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude,

9 wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit. Amen.

Petrus beginnt mit einem Lobpreis „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus“. Petrus folgt damit einer alten jüdischen Sitte, einen Brief mit einem Gebet zu beginnen. Die Juden sagten allerdings: „Gepriesen sei der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs!“

Dass Petrus mit dem Satz beginnt: „Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus“ musste die Juden total verärgern und zum Zorn anregen. Denn damit bezeugten die Christen, dass der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs sich als der Vater des Jesus gezeigt hat, den die Juden in ihrem Hass und Wahn verworfen hatten.

Doch Petrus singt sein Loblied auch auf die Barmherzigkeit, auf das große Erbarmen Gottes. Das kann gar nicht genug betont werden: wir sind nur durch Gottes Erbarmen wiedergeboren, und das schließt jedes Eigenlob aus. Wir Menschen sind nichts ohne diese Barmherzigkeit Gottes.

Doch so sind wir wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung. Diese Hoffnung stirbt nicht wie in dem Sprichwort „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, nein, diese Hoffnung ist lebendig.

Lebendig, weil Jesus lebendig ist. Vorige Woche feierten wir das Fest der Auferstehung Jesu von den Toten. Das befähigt uns zur lebendigen Hoffnung. Wenn die Hoffnung stirbt, ist alles aus.

Dann können wir noch so sehr an die Standhaftigkeit appellieren, es hat keinen Zweck. Ein Wanderer in der Wüste, der die Hoffnung verliert, gibt auf. Ein Christ, der die Hoffnung verliert, wird auf den Durststrecken des Lebens nicht durchhalten können.

Doch nun schreibt Petrus von der Wiedergeburt. Die Empfänger des Briefes sind wiedergeboren, neu geboren, es beginnt alles ganz neu. Auch wir, sofern es für uns zutrifft, haben einen Neuanfang hinter uns, und der berechtigt uns eben zu dieser lebendigen Hoffnung.

Und warum? Weil Jesus von den Toten auferstanden ist. Weil Gott ihn auferweckt hat. Weil er damit dem Tod die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat, haben wir die Hoffnung auf das Erbe, das auch für uns bereitsteht.

Uns fällt ein Erbe zu: dafür müssen wir nichts tun, außer halt Kind, Erbe sein. Ein Erbteil fällt uns zu, wir haben es uns nicht verdient. Wir dürfen Abba zu Gott sagen, dem Vater, der durch Jesus auch unser Vater geworden ist.

Und wenn wir durch Jesus Gottes Kinder geworden sind, erben wir auch einen Anteil. Damit werden wir zu Miterben Christi. Unser Anteil liegt schon bereit, wird im Himmel aufbewahrt für mich, für uns. Er wird von Gott aufbewahrt, er wird bewacht, kann nicht verloren gehen oder gestohlen werden.

Und dieser Anteil wird auch nicht von Motten oder Rost zerfressen, er ist unvergänglich, er ist keine Blume, die verwelkt. Und noch eines ist er: vollkommen rein, makellos, unbefleckt, wie Petrus hier schreibt.
Im Griechischen ist es ein Wortspiel, das Petrus hier anwendet. Die drei Worte unvergänglich, unbefleckt und unverwelklich beginnen im Griechischen nämlich mit demselben Buchstaben „a“ und enden mit derselben Silbe „ton“: aphtharton, amianton, amaranton.

Das Erbe, das uns erwartet, ist genauso unzerstörbar wie Gottes Wort. Es lohnt sich, für dieses Erbe auch einmal zu leiden, so wie Petrus im Vers 5 kurz andeutet. Da spricht er davon, dass wir, die Erben, bewahrt bleiben. Aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt – so schreibt er.

Bewahrt im militärischen Sinne. Bewahrung, Bewährung mit Ä, Bewehrung mir E – sie alle haben den gleichen Wortstamm. Auch Jakobus schreibt in seinem Brief im 1. Kapitel Vers 3 auch: „Wisst, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld wirkt.“ Und damit meint er genau diese Bewährung, die Petrus hier anspricht.

Und beide meinen auch genau denselben Glauben, nämlich den Glauben, der Berge versetzt, nicht den Glauben, der sagt: „Ich glaube, morgen wird schönes Wetter!“

Im Hebräerbrief finden wir etliche Aussagen, was der Glaube alles bewirkt und bewirken kann. Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte, durch den Glauben wurde Abraham befähigt, seinen Sohn Isaak zum Opfer zu bringen, obwohl dieser Sohn ihm ja als Verheißung gegeben worden war, zu einem großen Volk zu werden.

Durch den Glauben wurde die Hure Rahab errettet, Noah, Mose, Josef, Jakob, alle diese Menschen waren durch den Glauben zu Dingen fähig, die wir nach menschlichem Ermessen für undenkbar halten würden.

Doch der Glaube allein reicht nicht aus, so schreibt Petrus. Aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt – ich wiederhole es noch einmal, so sind seine Worte. Beides zugleich ist zu betonen, Gottes Macht, die uns rettet, und der Glaube, der uns dazu bringt, die Wirksamkeit von Gottes Macht zuzulassen.

Auf das Erbe, das auf mich wartet, kann ich mich freuen. Dann werdet ihr euch freuen, schreibt Petrus. Dann – das setzt die vorangegangen Verse voraus. Wenn wir im Glauben bewahrt sind, wenn wir auf Gottes Macht vertrauen, dann werden wir uns freuen.

Petrus ermutigt die Leser, das Wissen in die Tat umzusetzen. Aus Theorie wird Praxis. Was nutzt mir der Glaube, wenn er keine Werke hat? Was nutzt mir Gottes Macht, wenn ich ihr keinen Raum gebe?

Petrus verspricht den Lesern seines Briefes, dass sie sich freuen werden. Und zwar freuen trotz der Traurigkeiten, die sie zu erwarten haben. Anfechtungen werden nicht ausbleiben. Die Verfolgung steht kurz bevor oder hat schon begonnen. Keiner weiß, was auf ihn zukommt.

Derzeit erreichen uns immer wieder Meldungen von Christenverfolgungen in aller Welt. Christ sein war noch nie so gefährlich wie heute. Nie zuvor sind so viele Christen diskriminiert, bedroht und verfolgt worden. Weltweit sind bis zu 100 Millionen Christen betroffen, und die Tendenz ist steigend.

Christen verschiedener Konfessionen sind zwar nicht die einzige Religionsgruppe, die wegen ihres Glaubens benachteiligt wird; weltweit leiden sie aber am meisten unter religiöser Diskriminierung oder Verfolgung.

Obwohl das Recht auf Religionsfreiheit seit Jahrzehnten als grundlegendes Menschenrecht international anerkannt ist, wird es in der Praxis in zahlreichen Regionen der Erde bis heute auf vielfache Weise missachtet.

In rund 50 Staaten werden Menschen in ihrer Religionsausübung behindert und in etlichen davon kommt es zu schweren Verletzungen der Religionsfreiheit. Betroffen sind Länder wie Nordkorea, Syrien, Saudi-Arabien, Irak, Iran, Pakistan, Eritrea, Sudan, Nigeria, Ägypten, Indien, Laos, Vietnam, China, Türkei…wir haben vor einigen Monaten die Videos gesehen, die von Open Doors bereitgestellt wurden.

Und doch – in genau diesen Ländern gründen sich neue Gemeinden, in genau diesen Ländern wachsen die Gemeinden. Und die Christen, die hingerichtet werden, gehen oft mit einem Loblied in den Tod. Da muss doch was dran sein an dem Glauben, und so manches Mal werden die Scharfrichter selbst betroffen von dem Zeugnis, das die Christen da geben. Ich las Meldungen, dass IS-Fanatiker sich zum Christentum bekehrten. Das sind dann die Früchte, die entstehen.

Die Freude, von der Petrus schreibt, ist also nicht von den äußeren Umständen abhängig. Ich zitiere noch einmal Jakobus, diesmal den 2. Vers aus dem 1. Kapitel: „Erachtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt!“ Das gab mal in der Bibelstunde Gelegenheit zu mancher Diskussion. Und wir stellten fest, dass es gar nicht so einfach ist, sich darüber zu freuen. Auch Zweifel sind erlaubt, zeigen sie doch, dass Glaube da ist. Zweifel kann nicht existieren ohne Glauben. Und hier komme ich wieder zum Glauben. Der Apostel Johannes schreibt in seinem ersten Brief: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat!“

Das soll und darf uns trösten, wenn wir wieder einmal zweifeln, wen wir Prüfungen zu bestehen haben. Das Wort „Prüfung“ nehme ich hier mal für die Anfechtungen. Prüfung bedeutet, es muss sein. Prüfung zeigt an, dass die Leiden nicht sinnlos sind, sondern in Gottes Plan hineinpassen. Es steht eine Absicht dahinter.

Der ultimative Leidende ist wohl Hiob – seine Leiden sind ja sprichwörtlich geworden. Und selbst hinter seinem Leiden steckte eine Absicht, ein Plan, von dem er allerdings nicht die geringste Ahnung hatte. Und doch konnte er beten: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“ Wir haben natürlich heute den Vorteil, dass wir wissen, was sich hinter den Kulissen abgespielt hat. Aber sollte sein Leben, sein Glauben, sein Ertragen des Leidens uns nicht Trost genug sein?

Im nächsten Vers zeigt uns Petrus den Zweck der Prüfungen. Gold wird geschmolzen, damit die Echtheit überprüft werden kann. Alles was nicht hineingehört, wird entweder bei der großen Hitze, die entsteht, verbrannt oder sondert sich ab, so dass es besser von dem Edelmetall getrennt werden kann. Dem Gold selbst schadet die Hitze nichts.

Weil der Glaube oft mit anderen Dingen verwässert wird – hier fällt mir spontan wieder die vor einem Jahr so brisante Predigt des Pfarrers Olaf Latzel ein -, greift Gott ein. Damit euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche Gold – so schreibt Petrus, muss er wie das Gold auch geläutert und gereinigt werden.

Das Geschöpf ehrt seinen Schöpfer, das Kind Gottes ehrt seinen Vater, indem es ihm vertraut, indem es an ihn glaubt, indem es ihn glaubt. Doch der Glaube muss echt sein. Deshalb wird er geprüft.

Wenn ich wieder einmal denke: „Warum passiert gerade mir das?“ – dann sollte ich mal an das denken, was Petrus hier schreibt. Schwierigkeiten, Nöte, das alles können wir als Prüfung, als Reinigung, als Echtheitstest ansehen. Vielleicht fällt es uns dann leichter alles zu bestehen und zu überstehen.

Nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht. So steht es weiter im Text.

Junge Leute aus der Provinz gaben vor ihren Freunden damit an, dass sie nach New York fahren und das Musical „My Fair Lady“ besuchen würden. In New York mussten die Jugendlichen feststellen, dass die Vorstellungen auf Monate ausverkauft waren. Sie schämten sich jedoch, unverrichteter Dinge zurückzukommen. So kauften sie sich ein Programm des Musicals und eine Schallplatte mit den schönsten Liedern daraus. Nach den Vorstellungen suchten sie am Ausgang nach weggeworfenen Eintrittskarten. Dann fuhren sie nach Hause, zeigten das Programm und die Eintrittskarten, sangen die Lieder und schwärmten den anderen etwas vor von dem berühmten Stück.

Ihre ganze Schau hatte nur einen Haken: sie hatten das Musical nie persönlich erlebt. Sie kannten es nur von Hörensagen und aus zweiter Hand. Eigentlich sprachen sie davon wie ein Blinder von der Farbe.

So ist es auch bei manchen Menschen mit dem Glauben. Sie kennen das Programm, haben die Eintrittskarte in Gestalt der Gemeindezugehörigkeit und singen die Lieder. Aber sie haben Jesus nie persönlich erfahren.

Der Glaube ist halt nicht jedermanns Ding, wie schon Paulus im 2. Thessalonicherbrief schreibt. Doch Paulus bleibt nicht bei dieser Feststellung stehen, sondern er geht dann weiter und schreibt: „Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen.“

Dieser Vers steht heute als Lehrtext in den Losungsbüchern. Außerdem steckt dieser Vers in meinem Portemonnaie, denn ich habe ihn im letzten Silvestergottesdienst gezogen. Und ich finde, er passt wunderbar hier mit zu dem Text, den wir heute bedenken.

Bei den Adressaten des Petrusbriefes ist es jedoch nicht so, dass der Glaube nicht ihr Ding ist. Der Glaube, den die Gemeinde hat, ist nicht abstrakt auf irgendetwas gerichtet, sondern die Christen, an die der Brief gerichtet ist, glauben, ohne Jesus irgendwann gesehen zu haben. Ohne dass sie Jesus begegnet sind, lieben sie ihn und glauben an ihn. Vielleicht dachte Petrus beim Schreiben auch an das Wort Jesu „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“…bei den Empfängern seines Briefes traf das jedenfalls zu.

Und deshalb verheißt Petrus der Gemeinde eine unaussprechliche Freude. Unaussprechliche, herrliche Freude, so sagt er. Petrus kann nur mit Superlativen arbeiten, etwas anderes ist ihm gar nicht möglich.

„Unaussprechlich ist die Freude, die auf ewig uns entzückt, wenn der Heiland seine Leute aller Erdennot entrückt!“ So heißt es in einem Lied, das ich vor vielen Jahren mal gelernt habe.

Am Ende unseres Textes verspricht Petrus der Gemeinde noch eine Belohnung: der Seelen Seligkeit. Darauf können sich alle Gläubigen freuen. Und ich komme noch einmal auf das vorhin genannte Lied zurück. Der Refrain lautet nämlich: „Jesus gibt Freude, Freude, die nie vergeht! Drum such ihn heute, eh es zu spät!“

Amen.

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