Das Lied vom unfruchtbaren Weinberg
Habt Ihr schon einmal in einem Weinberg gestanden? Vielleicht sogar dort mit gearbeitet? Ich nicht, habe mich aber mal schlau gemacht…
Statistisch gesehen muss jeder Rebstock vom Winzer innerhalb eines Jahres ca. 17mal besucht werden.
Schon vor dem Austrieb beginnt man mit dem Rebschnitt, wochenlange Handarbeit. Im Frühling werden die Fruchtruten nach unten gebunden. Dabei stehen die Winzer oft im wahrsten Sinne des Wortes „im Regen“ – und das auch noch gerne, denn durch die feuchte Witterung brechen die Ruten nicht.
Mechanisches Auflockern, Begrünungspflanzen säen, düngen, Pflanzenschutz gegen Pilzkrankheiten, je nach Witterung insgesamt 4 bis 7mal im Laufe des Sommers. Während der Blüte werden die Reben aufgebunden oder eingekürzt, um zu verhindern, dass die Reben abbrechen.
Während der ganzen Wachstumsperiode sind die Weingärtner mit Laubarbeiten beschäftigt, Triebe festbinden, Blätter entfernen, um die Durchlüftung der Reben zu fördern.
Im August beginnen die Weingärtner mit der sogenannten „grünen Lese“. Durch das Entfernen von Beeren erhalten die verbleibenden Beeren mehr Kraft.
Im September ist es dann endlich soweit: Die Früchte der Arbeit können geerntet – besser gelesen – werden. Die Lese kann sich bis zu drei Wochen hinziehen. Vor allem, wenn sie von Hand erfolgt.
Nach dieser Strapaze ist eigentlich eine Pause verdient. Doch der Winzer muss nochmal „ran“. Der Weinbergboden wird ein letztes Mal umgepflügt. Dann deckt auch meist schon bald der Schnee den Weinberg zu.
Ja, das ist ein Winzerjahr…keine leichte Arbeit, die Arbeit im Weinberg. Und nicht immer ist es ein erfolgreiches Jahr – dann kommt es auch mal vor, dass zu schlechte Witterung eine Missernte verursacht.
Der nahe Osten – Israel – ist eine Gegend, in der der Weinbau jahrtausendealte Tradition hat. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament finden wir deshalb Geschichten, die sich um den Weinbau ranken.
Und bereits Jesaja singt ein Lied, ein Lied vom Weinberg. Jesaja ist mein Lieblingsprophet im Alten Testament. Er hatte dem Volk Israel sowohl ins Gewissen zu reden als auch Trost zu spenden, letzteres vor allem während der Babylonischen Gefangenschaft. Doch zuerst war er ein Prophet, der seinen Mitmenschen ein hartes Gerichtsurteil zu verkünden hatte.
Eine seiner bekanntesten Reden ist das Lied vom Weinberg – der vom Winzer gehegt und gepflegt wird, das ganze Jahr über hat der Winzer zu tun. Und dann freut sich der Winzer auf die Ernte. Doch die Enttäuschung ist groß, denn trotz aller Mühe des Weinbergbesitzers bringt der Weinberg keinerlei gute Trauben, immer wieder trägt er schlechte Frucht – saure Trauben – und deshalb wird er irgendwann wieder dem Erdboden gleich gemacht.
Das Lied, das Jesaja singt, sagt die Zerstörung Jerusalems und seines Tempels voraus. In der Übertragung der „Guten Nachricht“ ist dieses Lied in Versform gefasst. Ich möchte es hier mit Euch teilen. Jedes Wort, das vom Weinberg spricht, meint das Volk Israel. Der Weingärtner, das ist Gott:
1 Hört mir zu! Ich singe euch das Lied meines Freundes von seinem Weinberg:
Auf fruchtbarem Hügel, da liegt mein Stück Land,
2 dort hackt ich den Boden mit eigener Hand,
ich mühte mich ab und las Felsbrocken auf
baute Wachtturm und Kelter, setzte Reben darauf.
Und süße Trauben erhofft ich zu Recht,
doch was dann im Herbst wuchs, war sauer und schlecht.
3 Jerusalems Bürger, ihr Leute von Juda,
was sagt ihr zum Weinberg, was tätet denn ihr da?
4 Die Trauben sind sauer – entscheidet doch ihr:
War die Pflege zu schlecht? Liegt die Schuld denn bei mir?
5 Ich sage euch, Leute, das tue ich jetzt:
Weg reiß ich die Hecke, als Schutz einst gesetzt;
zum Weiden solln Schafe und Rinder hinein!
Und die Mauer ringsum – die reiße ich ein!
Zertrampelnden Füßen geb ich ihn preis,
schlecht lohnte mein Weinberg mir Arbeit und Schweiß!
6 Ich will nicht mehr hacken, das Unkraut soll sprießen!
Der Himmel soll ihm den Regen verschließen!
7 Der Weinberg des Herrn seid ihr Israeliten!
Sein Lieblingsgarten, Juda, seid ihr!
Er hoffte auf Rechtsspruch –
und erntete Rechtsbruch,
statt Liebe und Treue
nur Hilfeschreie! Jesaja 5, 1-7
Das Lied vom unfruchtbaren Weinberg ist ein Klagelied über die Undankbarkeit. Gott hat sich so viel Mühe gegeben, 24 Stunden, sieben Tage die Woche ist er für den Weinberg, für uns da. Danken wir es ihm? Bringen wir Frucht?
Oder geht uns das alles gar nichts an? Sitzen wir über den Israeliten zu Gericht und verurteilen sie, weil sie nichts von Gott wissen wollten? Doch haben wir das Recht, über den Israeliten zu Gericht zu sitzen? Haben wir das Recht, sie zu verurteilen? Wer von uns ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein, so möchte ich in Anlehnung an Jesu Worte sagen.
Gott soll uns davor bewahren, überheblich zu werden. Wir wollen vielmehr uns an das Wort Jesu halten, der auch vom Weinberg, vom Weingärtner, vom Weinstock gesprochen hat.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. So hat er zu seinen Jüngern gesagt. Und das sagt er auch zu uns. Ohne ihn können wir nichts tun. Ohne die Verbindung zum Weinstock verdorren wir Reben. Keine Rebe käme auf den Gedanken, sich vom Weinstock zu lösen. Sie weiß, dass sie dann verloren ist.
Lieber himmlischer Vater, danke, dass Du unser Weinstock bist und wir Deine Reben sein dürfen. Vergib, wo wir schlechte Reben waren, vergib, wo wir keine gute Frucht hervorgebracht haben, weil wir uns gesträubt haben, Dir zu gehorchen. Danke, dass wir uns immer wieder an Dich wenden dürfen, danke, dass Du uns immer wieder aufhelfen willst. Amen.