Geh aus, mein Herz, und suche Freud

2016-03-22Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Ich liebe dieses Lied. Und nicht nur ich, sondern ich befinde mich da in guter Gesellschaft. Wir haben vor zwei Jahren in unserer Gemeinde eine Abstimmung gestartet, welches die beliebtesten Lieder in unserem aktuellen Gesangbuch sind. Das Lied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ ist dabei zusammen mit „Nun danket alle Gott“ auf dem ersten Platz der Hitparade gelandet. Das spricht für dieses Lied.

Es ist schon viele Jahre her, da hörte ich eine Anti-Version des Liedes von Paul Gerhardt. Noch genauso aktuell wie damals, vielleicht noch aktueller, möchte ich den Text hier veröffentlichen. Zum Lesen, zum Nachdenken, zum Betroffensein…

Geh aus, mein Herz, und suche Freud
denn du hast nicht mehr lange Zeit,
dich an Natur zu laben.
Schau an der schönen Gärten Zier,
so lange Blume, Baum und Tier
noch Raum zu leben haben.

Die Bäume stehen voller Laub,
doch die Chemie senkt ihren Staub
herab auf Wald und Weide.
Narzissus und die Tulipan,
die weichen heut der Autobahn –
im Abgas wächst Getreide.

Die Lerche schwingt sich in die Luft,
bis auch ihr kleiner Leib verpufft
im Sog der Düsenwerke.
Die hochbegabte Nachtigall
kämpft gegen den Transistorschall
und unterliegt an Stärke.

Die Glucke führt ihr Völklein aus,
sofern sie nicht bestimmt zum Schmaus
nach dumpfer Mast verendet.
Der schnelle Hirsch, das leichte Reh,
sie sterben in des Menschen Näh,
vom Nachtverkehr geblendet.

Die Bächlein rauschen in dem Sand
mit reduziertem Fischbestand
infolge Abfallstauung.
Die Wiesen liegen hart dabei,
noch weiden hier die Kühe frei,
bald kommt die Überbauung.

Die unverdrossne Bienenschar
findet bei uns von Jahr zu Jahr
mehr giftgesprühte Blüten.
Des süßen Weinstocks starker Saft,
er fordert Leben, kostet Kraft,
weil viele sich nicht hüten.

Ich selber kann und mag nicht ruhn,
denn jeder muss das Seine tun,
so groß sind die Gefahren.
Ich singe mit, wenn alles singt,
voll Hoffnung, dass es uns gelingt,
die Schöpfung zu bewahren.

Text: E. R.

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